Abhängling

Gewölbe-Abhängling in der Kirche St-Pierre-Saint-Paul, Aumale
Hängende Schlusssteine in der Henry-VII.-Chapel in der Westminster Abbey, London

Der Begriff Abhängling oder „Hängezapfen“ ist ein Baufachbegriff und steht im historischen Bogen- oder Gewölbebau für einen herabhängenden Schlussstein. Dieser ist oft in Form eines Zapfens oder eines Knaufes ausgebildet.

Bei der Sonderform des spätgotischen Zweischichtengewölbes[1] gibt es auch Abhänglinge in Form eines mittels Eisenanker tief herabhängenden Schlusssteins, auf welchem in filigraner Form Gewölberippen ihr Auflager haben. Diese besonders kunstvollen Spezialkonstruktionen werden auch als Absenker oder hängender Trichter berzeichnnet.[2]

Hängender Schlussstein an einem spätromanischen Portalbogen (Brihuega, Spanien)

Im Holzbau ist ein Abhängling das untere Ende einer Hängesäule unterhalb der von der Hängesäule getragenen Balken.[3] Derartige Konstruktionen finden sich vor allem in den Bauten des englischen Tudorstils.

Abhänglinge und hängende Gewölbe spielen in hohem Maße mit statischen Konstruktionsgrundlagen und den Sehgewohnheiten der Betrachter, da der Schlussstein normalerweise an der höchtsten Stelle des Gewölbes eingekeilt ist.

Hängende Schlusssteine

Europa

  • Längsschnitt durch Gewölbe und Abhängling der Katharinenkapelle im Stephansdom, Wien (Max Hasak, 1927)
    Längsschnitt durch Gewölbe und Abhängling der Katharinenkapelle im Stephansdom, Wien (Max Hasak, 1927)
  • Saint Laurent, Paris
    Saint Laurent, Paris
  • Saint-Jean-Baptiste, Nemours
    Saint-Jean-Baptiste, Nemours
  • Saint-Pierre-le-Vieux, Straßburg
    Saint-Pierre-le-Vieux, Straßburg
  • Südliches Seitenschiff mit hängenden Schlusssteinen, St. Peter (Bacharach)
    Südliches Seitenschiff mit hängenden Schlusssteinen, St. Peter (Bacharach)

Indien

Zeitlich etwas früher finden sich zahlreiche hängende Schlusssteine (padmashilas) in den Kragkuppeln der mittelalterlichen hinduistischen und jainistischen Tempel Indiens.

Falsche Schlusssteine

Die Abhänglinge der Abtei Cadouin (es gibt zahlreiche weitere Beispiele) sind selbstständige Skulpturen und keine echten Schlusssteine, da sie mittels Metallankern an die konstruktiven, lastübertragenden Schlusssteine oder Gewölbezwickel „an- oder abgehängt“ sind. Sie sind stets unsymmetrisch und immer eigenständig gestaltet und teilweise deutlich größer im Umfang als die konstruktiven Schlusssteine. Von ehemals 95 Abhänglingen in der Abtei Cadouin sind etwa 25 erhalten.

  • Abtei Cadouin (Aquitanien) Gewölbefeld mit fünf Abhänglingen
    Abtei Cadouin (Aquitanien) Gewölbefeld mit fünf Abhänglingen
  • Abtei Cadouin Abhängling, Engel mit Räucherfass
    Abtei Cadouin Abhängling, Engel mit Räucherfass
  • Abtei Cadouin, Nordgalerie, konstruktive Schlusssteine ohne Abhänglinge (entfernt)
    Abtei Cadouin, Nordgalerie, konstruktive Schlusssteine ohne Abhänglinge (entfernt)

Hängende Gewölbe (Hängende Trichter)

Aus den hängenden Schlusssteinen entwickeln sich in der europäischen Spätgotik hängende Gewölbeteile (hängende Trichter[2]), deren Rippen nicht mehr in einem Scheitelpunkt zusammenlaufen, sondern kurz zuvor eine abwärts gerichtete Kehrtwendung machen. Die Trichterbildung kann sogar so weit gehen, dass sich die Rippen vom Untergrund lösen, sich als sogenannte Luftrippengewölbe frei im Raum bewegen und auf den Knäufen der hängenden Schlusssteine aufruhen. Dies wurde konstruktiv durch von unten nicht sichtbare Zuganker aus Eisen oder Kupfer bewerkstelligt.

Literatur

  • Hans Koepf: Bildwörterbuch der Architektur, 2. Auflage; Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1985, ISBN 3-520-19402-3, S. 1 f.
  • Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Sachsen-Anhalt II. Regierungsbezirke Dessau und Halle. Deutscher Kunstverlag, Berlin 1999, ISBN 978-3-422-03065-7. (Zu den Abhänglingen in Halle siehe S. 258 und 264)

Weblinks

Commons: Hängende Schlusssteine – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Commons: Hängende Gewölbe – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Abhängling, auf architektur-lexikon.de

Einzelnachweise

  1. Zweischichtengewölbe. In: hist-arch-vocab.org (Bamberger Vokabular für historische Architektur). 21. November 2022, abgerufen am 23. Dezember 2023. 
  2. a b Abhängling (Gewölbe). In: hist-arch-vocab.org (Bamberger Vokabular für historische Architektur). 21. November 2022, abgerufen am 23. Dezember 2023. 
  3. Abhängling (Holzbau). In: hist-arch-vocab.org (Bamberger Vokabular für historische Architektur). 21. November 2022, abgerufen am 23. Dezember 2023. 
Normdaten (Sachbegriff): GND: 1268880612 (lobid, OGND, AKS)