Bilineare Abbildung

Im mathematischen Teilgebiet der linearen Algebra und verwandten Gebieten verallgemeinern die bilinearen Abbildungen die verschiedensten Begriffe von Produkten (im Sinne einer Multiplikation). Die Bilinearität entspricht dem Distributivgesetz

a ( b + c ) = a b + a c {\displaystyle a\cdot (b+c)=a\cdot b+a\cdot c}

bei der normalen Multiplikation. Bilineare Abbildungen sind ein Spezialfall multilinearer Abbildungen.

Definition

Eine K {\displaystyle K} -bilineare Abbildung ist eine 2-multilineare Abbildung, das heißt eine Abbildung

f : E × F G {\displaystyle f\colon E\times F\to G} , wobei E {\displaystyle E} , F {\displaystyle F} und G {\displaystyle G} drei K {\displaystyle K} -Moduln oder K {\displaystyle K} -Vektorräume über dem (gleichen) Ring bzw. Körper K {\displaystyle K} sind,

so dass für jedes (fest gewählte) y {\displaystyle y} aus F {\displaystyle F}

x f ( x , y ) {\displaystyle x\mapsto f(x,y)}

eine K {\displaystyle K} -lineare Abbildung E G {\displaystyle E\to G} ist, und für jedes x {\displaystyle x} aus E {\displaystyle E}

y f ( x , y ) {\displaystyle y\mapsto f(x,y)}

eine lineare Abbildung F G {\displaystyle F\to G} ist. Für beliebige x , x E {\displaystyle x,x'\in E} , y , y F {\displaystyle y,y'\in F} und α K {\displaystyle \alpha \in K} gilt demnach

f ( x + x , y ) = f ( x , y ) + f ( x , y ) f ( x α , y ) = α f ( x , y ) f ( x , y + y ) = f ( x , y ) + f ( x , y ) f ( x , α y ) = α f ( x , y ) . {\displaystyle {\begin{aligned}f(x+x',y)&=f(x,y)+f(x',y)\\f(x\cdot \alpha ,y)&=\alpha \cdot f(x,y)\\f(x,y+y')&=f(x,y)+f(x,y')\\f(x,\alpha \cdot y)&=\alpha \cdot f(x,y).\\\end{aligned}}}

Man kann sagen, dass der Begriff der Bilinearität eine Verallgemeinerung der für Ringe und insbesondere Körper geltenden (Links- und Rechts-)Distributivgesetze darstellt. Dabei beschreibt die Bilinearität jedoch nicht nur (wie die Distributivgesetze) das Verhalten der Abbildung hinsichtlich Addition, sondern auch hinsichtlich Skalarmultiplikation.

Genauer: Ist K {\displaystyle K} ein (möglicherweise nicht-kommutativer) Ring mit 1 {\displaystyle 1} , dann muss die Seitigkeit der Moduln miteinbezogen werden, d. h. E {\displaystyle E} muss ein rechter und F {\displaystyle F} ein linker K {\displaystyle K} -Modul sein. Die Seitigkeit von G {\displaystyle G} bleibt frei wählbar (in den Gleichungen ist sie links), weil K {\displaystyle K} auf G {\displaystyle G} – zumindest jedoch auf dem Bild f ( F × E ) G {\displaystyle f(F\times E)\subset G} und damit auch auf dem von ihm aufgespannten Untermodul bzw. Unterraum – kommutativ operiert: α β f ( x , y ) = α f ( x , β y ) = f ( α x , β y ) = β f ( α x , y ) = β α f ( x , y ) . {\displaystyle \alpha \cdot \beta \cdot f(x,y)=\alpha \cdot f(x,\beta \cdot y)=f(\alpha \cdot x,\beta \cdot y)=\beta \cdot f(\alpha \cdot x,y)=\beta \cdot \alpha \cdot f(x,y)\;.}

Normierte Räume

Sind die betrachteten K {\displaystyle K} -Vektorräume normiert, dann lässt sich analog zu linearen Abbildungen eine Operatornorm definieren:

f := sup x , y 0 f ( x , y ) x y = sup x , y = 1 f ( x , y ) {\displaystyle \|f\|:=\sup \limits _{x,y\neq 0}{\frac {\|f(x,y)\|}{\|x\|\cdot \|y\|}}=\sup \limits _{\|x\|,\|y\|=1}\|f(x,y)\|}

f {\displaystyle f} ist stetig genau dann wenn f < {\displaystyle \|f\|<\infty } . Es gilt die Submultiplikativität f ( x , y ) f x y {\displaystyle \|f(x,y)\|\leq \|f\|\cdot \|x\|\cdot \|y\|} .

Stetigkeit und Differenzierbarkeit

Bilineare Abbildungen mit endlichdimensionalem Definitionsbereich sind immer stetig.

Ist eine bilineare Abbildung B {\displaystyle B} stetig, ist sie auch total differenzierbar und es gilt

D B ( x 0 , y 0 ) ( x , y ) = B ( x 0 , y ) + B ( x , y 0 ) {\displaystyle DB(x_{0},y_{0})(x,y)\;=\;B(x_{0},y)\,+\,B(x,y_{0})}

Unter Anwendung der Kettenregel folgt daraus, dass zwei differenzierbare Funktionen, die mit einer bilinearen Abbildung verknüpft sind, mit der Verallgemeinerung der Produktregel abgeleitet werden können: Seien f , g {\displaystyle f,g} total differenzierbare Funktionen, dann gilt

D B ( f ( ) , g ( ) ) ( x 0 , y 0 ) ( x , y ) = D ( B ( f , g ) ) ( x 0 , y 0 ) ( x , y ) = B ( D f ( x 0 ) x , g ( y 0 ) ) + B ( f ( x 0 ) , D g ( y 0 ) y ) {\displaystyle {\begin{aligned}DB(f(\cdot ),g(\cdot \cdot ))(x_{0},y_{0})(x,y)&=D(B\circ (f,g))(x_{0},y_{0})(x,y)\\&=B(Df(x_{0})x,g(y_{0}))+B(f(x_{0}),Dg(y_{0})y)\end{aligned}}}

Beispiele

Sämtliche gemeinhin übliche Produkte sind bilineare Abbildungen: die Multiplikation in einem Körper (reelle, komplexe, rationale Zahlen) oder einem Ring (ganze Zahlen, Matrizen), aber auch das Vektor- oder Kreuzprodukt, und das Skalarprodukt auf einem reellen Vektorraum.

Ein Spezialfall der bilinearen Abbildungen sind die Bilinearformen. Bei diesen ist der Wertebereich G {\displaystyle G} mit dem Skalarkörper K {\displaystyle K} der Vektorräume E {\displaystyle E} und F {\displaystyle F} identisch.

f : E × F K {\displaystyle f\colon E\times F\to K}

Bilinearformen sind für die analytische Geometrie und Dualitätstheorie wichtig.

In der Bildverarbeitung wird eine bilineare Filterung zur Interpolation eingesetzt.

Weitere Eigenschaften

Symmetrie und Antisymmetrie (für F = E {\displaystyle F=E} ) und andere Eigenschaften sind wie im allgemeineren Fall der multilinearen Abbildungen definiert.

Eine bilineare Abbildung E × E E {\displaystyle E\times E\to E} macht E {\displaystyle E} zu einer Algebra.

Im Falle komplexer Vektorräume betrachtet man auch sesquilineare („anderthalb“-lineare) Abbildungen, welche im zweiten (oder ggf. im ersten) Argument antilinear sind, das heißt, dass

f ( x , α y ) = α f ( x , y ) {\displaystyle f(x,\alpha \cdot y)=\alpha ^{*}\cdot f(x,y)}

(wobei {\displaystyle *} die komplexe Konjugation bezeichnet), während alle anderen obigen Gleichungen bestehen bleiben.

Bezug zu Tensorprodukten

Bilineare Abbildungen werden im folgenden Sinne durch das Tensorprodukt klassifiziert: Ist

f : E × F G {\displaystyle f\colon E\times F\to G}

eine bilineare Abbildung, so gibt es eine eindeutig bestimmte lineare Abbildung

E F G , x y f ( x , y ) ; {\displaystyle E\otimes F\to G,x\otimes y\mapsto f(x,y);}

umgekehrt definiert jede lineare Abbildung

λ : E F G {\displaystyle \lambda \colon E\otimes F\to G}

eine bilineare Abbildung

E × F G , ( x , y ) λ ( x y ) . {\displaystyle E\times F\to G,\quad (x,y)\mapsto \lambda (x\otimes y).}

Diese beiden Konstruktionen definieren eine Bijektion zwischen dem Raum der bilinearen Abbildungen E × F G {\displaystyle E\times F\to G} und dem Raum der linearen Abbildungen E F G {\displaystyle E\otimes F\to G} .

Bilineare Abbildungen über endlichdimensionalen Vektorräumen

Sind E {\displaystyle E} und F {\displaystyle F} endlichdimensionale K {\displaystyle K} -Vektorräume mit beliebig gewählten Basen ( b i ) i = 1 , , n {\displaystyle (b_{i})_{i=1,\dotsc ,n}} von E {\displaystyle E} und ( c j ) j = 1 , , m {\displaystyle (c_{j})_{j=1,\dotsc ,m}} von F {\displaystyle F} , dann gibt es für ein beliebiges x {\displaystyle x} aus E {\displaystyle E} die Darstellung

x = i x i b i {\displaystyle x=\sum _{i}x_{i}b_{i}} mit Koeffizienten x i {\displaystyle x_{i}} aus K {\displaystyle K} und analog für ein beliebiges y {\displaystyle y} aus F {\displaystyle F} die Darstellung
y = j y j c j . {\displaystyle y=\sum _{j}y_{j}c_{j}.}

Mit den Rechenregeln der bilinearen Abbildung ergibt sich dann

f ( x , y ) = i j x i y j f ( b i , c j ) . {\displaystyle f(x,y)=\sum _{i}\sum _{j}x_{i}y_{j}f(b_{i},c_{j}).}

Die bilineare Abbildung ist also durch die Bilder aller geordneten Paare der Basisvektoren von E {\displaystyle E} und F {\displaystyle F} bestimmt. Ist G {\displaystyle G} ebenfalls ein K-Vektorraum, so spannt das Bild Im ( f ) {\displaystyle \operatorname {Im} (f)} einen maximal n m {\displaystyle n\cdot m} dimensionalen Untervektorraum von G {\displaystyle G} auf. Im Allgemeinen ist das Bild einer bilinearen Abbildung zwischen Vektorräumen aber kein Untervektorraum.

Für Bilinearformen sind die f ( b i , c j ) {\displaystyle f(b_{i},c_{j})} aus K {\displaystyle K} , so dass sie in naheliegender Weise in einer Matrix notiert werden können. Diese Matrix ist dann die Koordinatendarstellung der Bilinearform bezüglich der gewählten Basen.

Quellen

  • Gerd Fischer: Lineare Algebra. 17. Auflage. Vieweg+Teubner, Wiesbaden 2010, ISBN 978-3-8348-0996-4.
Normdaten (Sachbegriff): GND: 4134671-3 (lobid, OGND, AKS)