Großer Preis von Belgien 1947
Der X. Große Preis von Belgien – und gleichzeitig VIII. Große Preis von Europa – war ein Autorennen, das am 29. Juni 1947 auf dem Circuit de Spa-Francorchamps stattfand. Als Grande Épreuve wurde das Rennen nach den Bestimmungen der Internationalen Grand-Prix-Formel – später Formel 1 – (Rennwagen bis 1,5 Liter Hubraum mit Kompressor oder bis 4,5 Liter Hubraum ohne Kompressor; Renndistanz mindestens 300 km bzw. mindestens drei Stunden Renndauer) über 35 Runden à 14,066 km ausgetragen, was einer Gesamtdistanz von 507,5 km entsprach.
Sieger wurde Jean-Pierre Wimille auf Alfa Romeo Tipo 158 „Alfetta“.
Das Rennen
Nach dem Dreifacherfolg im Großen Preis der Schweiz war die Werksmannschaft von Alfa Romeo mit ihren vier überragenden Alfa Romeo Tipo 158 und dem hervorragend besetzten Fahrerquartett aus Jean-Pierre Wimille, Achille Varzi, Carlo Felice Trossi und Consalvo Sanesi natürlich auch auf dem schnellen Kurs von Spa-Francorchamps – einem der großen Grand-Prix-Klassiker – wieder klar favorisiert. Obendrein waren zu dem Rennen, das zum dritten Mal in seiner Geschichte gleichzeitig auch unter dem Ehrentitel als Großer Preis von Europa ausgetragen wurde, vom veranstaltenden belgischen Automobilclub Royal Automobile Club de Belgique (RACB) insgesamt nur sechs Maserati 4CL zur Teilnahme eingeladen worden, von denen jedoch nur drei Exemplare mit Raymond Sommer und den beiden Schweizern Christian Kautz und Emmanuel de Graffenried am Steuer zum Rennen erschienen. Zusammen mit dem einzigen zu dieser Zeit existierenden echten Grand-Prix-Monoposto von Lago-Talbot, dem sogenannten Monoplace Centrale der Ecurie France mit Altmeister Louis Chiron am Steuer waren dies die einzigen Konkurrenten im Feld, die wenigstens noch Außenseiterchancen besaßen. Immerhin waren angesichts der Zeitumstände in den Nachkriegsjahren im Gegensatz zur sonst üblichen Praxis des RACB zu dem Rennen auch Privatfahrer zur Teilnahme eingeladen worden, um überhaupt ein angemessenes Teilnehmerfeld zusammenzubekommen.
Die Dominanz der „Alfettas“ war so deutlich, dass Rennleiter Giovanbattista Guidotti wie üblich bereits vor dem Rennen die Entscheidung gefällt hatte, welchem seiner Piloten der Sieg zustehen sollte. Damit wollte er angesichts der starken Rivalitäten seiner Piloten allzu heftigen Duellen auf der Strecke vorbeugen, um so den Rennsieg nicht zu gefährden. Nachdem Wimille in Bern der Vortritt gelassen worden war, war hier in Belgien nun Achille Varzi vorbestimmt, den insgesamt dritten Erfolg seiner Karriere in einem Grande Épreuve einzufahren.
Eine Besonderheit des Belgischen Grand Prix war, dass die Startaufstellung nicht wie ansonsten mittlerweile allgemein üblich anhand der jeweils im Training erzielten Rundenzeiten ermittelt wurde, sondern – wie auch die Teilnehmerliste selbst – vom Veranstalter nach eigenem Gutdünken festgelegt wurde. Auf den Rennverlauf hatte dies jedoch keine allzu großen Auswirkungen, den mit Wimille und Varzi starteten die beiden schnellsten Alfa-Romeo-Piloten ohnehin nebeneinander aus der ersten Startreihe.
Unmittelbar nach Freigabe des Rennens war es dann jedoch zur allgemeinen Überraschung einmal mehr Raymond Sommer, der sich mit seinem unterlegenen Maserati hinter dem führenden Alfa Romeo von Varzi auf Rang zwei einreihen und seine Position im Pulk der Alfetta rundenlang behaupten konnte. Trossi wurde in dieser Phase von einem Stein im Gesicht getroffen und musste zwecks ärztlicher Behandlung die Boxen ansteuern, wo er seinen Alfa Romeo deswegen für einige Runden an den höchstpersönlich auch als Reservefahrer gemeldeten Guidotti übergab. In der Zwischenzeit konnten sich in der vierten und der fünften Runde Wimille und Sanesi schließlich doch an Sommer vorbeikämpfen, der jedoch umgehend konterte und dabei zumindest den dritten Platz von Sanesi wieder zurückeroberte. In der 14. Runde musste er sein Rennen jedoch mit einem Bruch im Chassis dann endgültig beenden, so dass die Alfa-Romeo-Fahrer nun einmal mehr den Rennsieg wieder völlig unter sich ausmachen konnten. Spätestens damit hätte nun die vorgegebene Stallorder eigentlich greifen sollen. Wimille begann jedoch trotzdem, den als Sieger vorgesehenen Varzi zu attackieren, und übernahm schließlich im Verlauf der 16. Runde auch die Führung. Wenig später verlor Varzi durch einen Reparaturstopp wegen einer gebrochenen Ölleitung zudem eine ganze Runde, so dass er keine Möglichkeit hatte, dem ihm eigentlich zustehenden Erfolg noch zu erringen. Stattdessen musste er sich geschlagen geben und hinter Wimille mit dem zweiten Platz vor dem ins Cockpit zurückgekehrten Trossi begnügen. Seine Verärgerung über den untreuen Mannschaftskollegen hielt er bis zu seinem Tod im Training zum Großen Preis der Schweiz 1948 aufrecht.
Für Alfa Romeo wäre in Belgien sogar ein Vierfachsieg möglich gewesen, wenn nicht noch in der vorletzten Runde wurde der bis dahin drittplatzierte Sanesi durch einen technischen Defekt gestoppt worden wäre. So ging der vierte Platz bei insgesamt nur sieben gewerteten Teilnehmern an die britische Fahrerpaarung Bob Gerard und Cuth Harrison, die sich am Steuer ihres altehrwürdigen ERA während des Rennens abgewechselt hatten.
Meldelistea
Team | Nr. | Fahrer | Info | Chassis | Motor | Reifen |
---|---|---|---|---|---|---|
Italien Alfa Corse | 02 | Italien Carlo Felice Trossib | Alfa Romeo 158 | Alfa Romeo 1.5L I8 Kompressor | ||
04 | Italien Achille Varzi | |||||
06 | Italien Consalvo Sanesi | |||||
08 | Frankreich Jean-Pierre Wimille | |||||
Italien Giovanbattista Guidotti | RES | |||||
Frankreich R. Sommer | 10 | Frankreich Raymond Sommer | Maserati 4CL | Maserati 4CL 1.5L I4 Kompressor | ||
Italien Scuderia Ambrosiana | 12 | Italien Luigi Villoresi | DNA | Maserati 4CL(T)c | Maserati 4CL 1.5L I4 Kompressor | |
Vereinigtes Konigreich I. Connell & K. Evans | 14 | Vereinigtes Konigreich Ian Connell | DNA | Maserati 6CM | Maserati 4CL 1.5L I4 Kompressor | |
Italien Scuderia E. Platé | 16 | Schweiz Emmanuel de Graffenried | Maserati 4CL(T) | Maserati 4CL 1.5L I4 Kompressor | ||
18 | Schweiz Christian Kautz | |||||
Frankreich Écurie France | 20 | Monaco Louis Chiron | Talbot-Lago T26 „Monoplace Centrale“ | Talbot-Lago T26 4.5L I6 | ||
32 | Frankreich Yves Giraud-Cabantous | Talbot-Lago T26SS „Coursifée“d | ||||
34 | Frankreich Eugène Chaboude | Delahaye 135S „Coursifée“ | Delahaye 3.6L I6 | |||
36 | Belgien Émile Cornete | |||||
38 | Fahrer nicht benannt | DNA | ||||
Frankreich Écurie Rosier | 22 | Frankreich Louis Rosier | Talbot-Lago T150SS „Coursifée“ | Talbot 4.0L I6 | ||
Frankreich Écurie Gersac | 24 | Frankreich Maurice Trintignant | Delage Type D 6-3 Litres | Delage 3.0L I6 | ||
26 | Frankreich „Pierre Levegh“ | |||||
28 | Frankreich Henri Louveau | |||||
Frankreich Société SIMEN | 30 | Frankreich Benoît Falchetto | SIMEN-Bugatti Type 35/50B „Spéciale“ | Bugatti 4.5L I8 | ||
Vereinigtes Konigreich L. Johnson | 40 | Vereinigtes Konigreich Leslie Johnson | Talbot-Lago T150C „Coursifée“ | Talbot 4.0L I6 | ||
Vereinigtes Konigreich P. Whitehead | 42 | Vereinigtes Konigreich Peter Whitehead | ERA B-Type | ERA 1.5L I6 Kompressor | ||
Vereinigtes Konigreich B. Gerard | 44 | Vereinigtes Konigreich Bob Gerardg | ERA C-Type | ERA 1.5L I6 Kompressor | ||
44 | Vereinigtes Konigreich Cuth Harrison | RES | ||||
Thailand White Mouse Stableh | 46 | Thailand „B. Bira“ | DNSi | ERA B-Type | ERA 1.5L I6 Kompressor |
Klassifikation
Startaufstellunga
Italien Varzi 5:18,6 min | Frankreich Wimille 5:17,8 min | Monaco Chiron 5:50,5 min | ||
Italien Trossi 5:30,2 min | Frankreich Sommer 5:38,2 min | |||
Italien Sanesi 5:27,0 min | Schweiz Kautz 5:44,1 min | Vereinigtes Konigreich Whitehead (unbekannt) | ||
Frankreich Giraud-Cabantous (unbekannt) | Vereinigtes Konigreich Johnson (unbekannt) | |||
Schweiz de Graffenried (unbekannt) | Frankreich Chaboud (unbekannt) | Belgien Cornet (unbekannt) | ||
Frankreich „Pierre Levegh“ (unbekannt) | Vereinigtes Konigreich Gerard (unbekannt) | |||
Frankreich Louveau (unbekannt) | Frankreich Trintignant (unbekannt) | Frankreich Rosier (unbekannt) |
Rennergebnis
Pos. | Nr. | Fahrer | Konstrukteur | Runden | Zeit | Ausfallgrund |
---|---|---|---|---|---|---|
1 | 8 | Frankreich Jean-Pierre Wimille | Italien Alfa Romeo | 35 | 3:18:28,64 h | |
2 | 4 | Italien Achille Varzi | Italien Alfa Romeo | 34 | + 1 Runde | |
DNF | 6 | Italien Consalvo Sanesi | Italien Alfa Romeo | 34 | Motordefekt | |
3 | 2 | Italien Carlo Felice Trossi/ Italien Gianbattista Guidotti | Italien Alfa Romeo | 33 | + 2 Runden | |
4 | 44 | Vereinigtes Konigreich Bob Gerard/ Vereinigtes Konigreich Cuth Harrison | Vereinigtes Konigreich ERA | 32 | + 3 Runden | |
5 | 24 | Frankreich Maurice Trintignant | Frankreich Delage | 31 | + 4 Runden | |
6 | 22 | Frankreich Louis Rosier | Frankreich Talbot | 30 | + 5 Runden | |
7 | 40 | Vereinigtes Konigreich Leslie Johnson | Frankreich Talbot | 29 | + 6 Runden | |
DNF | 28 | Frankreich Henri Louveau | Frankreich Delage | 18 | ||
DNF | 32 | Frankreich Yves Giraud-Cabantous | Frankreich Talbot | 17 | Verlust eines Rades | |
DNF | 36 | Belgien Émile Cornet | Frankreich Delahaye | 15 | Motordefekt | |
DNF | 10 | Frankreich Raymond Sommer | Italien Maserati | 15 | Chassisdefekt | |
DNF | 18 | Schweiz Christian Kautz | Italien Maserati | 13 | Motordefekt | |
DNF | 20 | Monaco Louis Chiron | Frankreich Talbot | 8 | Pleuel | |
DNF | 42 | Vereinigtes Konigreich Peter Whitehead | Vereinigtes Konigreich ERA | 6 | Zündung | |
DNF | 16 | Schweiz Emmanuel de Graffenried | Italien Maserati | 6 | Kolben | |
DNF | 30 | Frankreich Benoît Falchetto | Frankreich Bugatti | 3 | Getriebe | |
DNF | 26 | Frankreich „Pierre Levegh“ | Frankreich Delage | ? | ||
DNF | 34 | Frankreich Eugène Chaboud | Frankreich Delahaye | ? | ||
DNS | 46 | Thailand „B. Bira“ | Vereinigtes Konigreich ERA | 0 | nicht gestartet (Motordefekt im Training) |
Schnellste Rennrunde: Frankreich Jean-Pierre Wimille (Alfa Romeo), 5:17,8 min = 164,2 km/h
Weblinks
- 1947 Belgian Grand Prix. www.motorsportmagazine.com, abgerufen am 29. Januar 2021 (englisch).