Jan Opletal

Jan Opletal (1. Januar 1915 in Lhota nad Moravou, Österreich-Ungarn – 11. November 1939 in Prag) war ein tschechoslowakischer Medizinstudent der Prager Karls-Universität, der bei einer Widerstands­demonstration am tschechoslowakischen Unabhängigkeitstag, dem 28. Oktober 1939, angeschossen und schwer verletzt wurde. Er verstarb zwei Wochen darauf. Jan Opletal gilt als Symbolfigur des tschechischen Widerstands gegen den Nationalsozialismus.[1]

Leben

Opletal stammt aus bescheidenen Verhältnissen. Er wurde in Lhota nad Moravou, einer kleinen Ortschaft nahe Náklo im Norden Mährens am Neujahrstag des Jahres 1915 geboren. Er war das achte Kind in der Familie von Anna und Štěpán Opletal. Seine Eltern gaben als Geburtsdatum den 31. Dezember 1914 an, um ihn ein Jahr früher einschulen zu können. Opletal besuchte die Grundschule in Náklo und dann ein Jahr die Gemeindeschule in Štěpánov u Olomouce. Eigentlich sollte er danach eine Lehre in der Pumpenfabrik der Brüder Sigmund in Lutín beginnen, wurde jedoch 1926 auf Empfehlung seiner Lehrer, die seine Intelligenz und seine Disziplin erkannten, in das Gymnasium in Litovel aufgenommen. Er schloss sich der Turnerbewegung Sokol an und nutzte auch deren Bildungsangebote. Das Abitur schloss er 1934 mit Auszeichnung ab. Danach wollte er Pilot werden und bewarb sich in der Flugschule von Prostějov. Mangels Sehstärke wurde er jedoch nicht aufgenommen. Daraufhin besuchte er die Schule für Reserveoffiziere in Hranice na Moravě und absolvierte den Militärdienst in einer Reiterkaserne.[2][3]

Im Wintersemester 1936/1937 begann er sein Medizinstudium an der Prager Karls-Universität.[1]

Vor dem Jahrestag der tschechoslowakischen Unabhängigkeit am 28. Oktober 1939 riefen Jan Opletal und andere Medizinstudenten in Flugblättern zum Widerstand gegen die deutsche Besetzung auf. Im ganzen Protektorat Böhmen und Mähren fanden Demonstrationen der tschechischen Bevölkerung und Streiks statt. In Prag versammelten sich im Laufe des Tages immer mehr Menschen, sangen die Nationalhymne, forderten die Rückkehr von Edvard Beneš und skandierten antideutsche Slogans. Einige, darunter viele Studenten, vandalierten Schaufenster deutscher Geschäfte. Da die tschechische Polizei, die mit den Demonstranten sympathisierte, nicht einschritt, begannen deutsche Zivilpolizisten in die Menge zu schießen. Dabei wurde der Arbeiter Václav Sedláček erschossen und Jan Opletal schwer verletzt. Opletal erlag am 11. November 1939 seiner Verletzung.[4][1]

Begräbnis Jan Opletals am 16. November 1939 in Náklo

Am 15. November 1939 wurde er aufgebahrt und durch Prag gefahren. Bei der Gedenkveranstaltung am Institut für Pathologie und in der anliegenden Kapelle waren mehr als 3000 Studenten zugegen.[5] Hunderte Studenten folgten danach seinem Sarg und es schlossen sich immer mehr Einwohner an. Als sein Sarg zum Bahnhof für den Transport in seine Heimat, nach Náklo in Mähren, gebracht wurde, stimmte die inzwischen auf Tausende von Menschen angewachsene Menge die tschechische Hymne an.[1] Als der Trauerzug den Karlsplatz erreichte, kam es zu Auseinandersetzungen mit der tschechischen Polizei, so dass sich die Studenten in das Gebäude der Technischen Universität zurückzogen. Dieses durften sie unter Aufsicht nur in kleinen Gruppen verlassen, welche sich aber später wieder zu einer Prozession zusammenschlossen, die versuchte durch das Stadtzentrum zu brechen.[5]

Die Reaktion der deutschen Besatzer darauf war die Sonderaktion Prag am 17. November 1939. Dabei kam es zur Verhaftung von 1850 Studenten und Hinrichtung von neun Studentenführern ohne Gerichtsprozess, darunter auch František Skorkovský.[6] 1200 tschechische Studenten wurden im Konzentrationslager Sachsenhausen interniert, alle tschechischen Universitäten geschlossen.[7]

Die Ermordung von Jan Opletal und die darauf folgende Schließung der Prager Universität führten am 18. November 1939 zu Solidaritätsdemonstrationen an der Universität in Belgrad.[8]

Samtene Revolution

Demonstration am Wenzels­platz, November 1989

Am 16. bzw. 17. November 1989 fanden – anlässlich des 50. Jahrestags der Sonderaktion Prag – Demonstrationen in Bratislava und Prag statt, die schließlich zur Samtenen Revolution und am 29. Dezember 1989 zur Wahl von Václav Havel zum Staatspräsidenten führten.[9] Die Prager Demonstranten wählten dieselbe Route wie 50 Jahre zuvor der Trauerzug für Jan Opletal: von Albertov über die Národní třída zum Wenzelsplatz.

Auszeichnung

Gedenken

In Tschechien sind zahlreiche Straßen nach Opletal benannt, unter anderem in Brünn, Jablonec nad Nisou, Most, Olomouc, Poděbrady, Prag und Řevnice. Das Gymnasium in Litovel, welches er besuchte, trägt heute seinen Namen. Weiter gibt es eine Reihe von Denkmälern, die an ihn erinnern, so z. B. ein Gedenkstein im Wald westlich von Březina u Křtin.

Seit 1941 wird der Ereignisse vom 17. November 1939 mit dem International Students’ Day gedacht.[12] Anlässlich dieses internationalen Studententages wird von der European Students' Union ein Jan Opletal Prize vergeben.[13]

In den Jahren 1989 und 2015 wurden zur Erinnerung an Jan Opletal zwei Sonderbriefmarken herausgegeben.[14][15]

Im August 2014 erinnerte eine Ausstellung in Prag an Jan Opletal und die Schließung der tschechischen Universitäten.[16]

  • Grabstätte für Jan Opletal in Náklo
    Grabstätte für Jan Opletal in Náklo
  • Büste von Jan Opletal vor dem Gymnasium Jana Opletala in Litovel
    Büste von Jan Opletal vor dem Gymnasium Jana Opletala in Litovel
  • Gedenktafel am Gymnasium Jana Opletala
    Gedenktafel am Gymnasium Jana Opletala
  • Gedenktafel für Jan Opletal und Václav Sedláček in Prag
    Gedenktafel für Jan Opletal und Václav Sedláček in Prag
  • Die Opletalova Straße in der Prager Neustadt
    Die Opletalova Straße in der Prager Neustadt
  • Die Opletalova Straße in Brünn, in Hintergrund das Verfassungsgericht
    Die Opletalova Straße in Brünn, in Hintergrund das Verfassungsgericht

Literatur

  • Jozef Leikert: A den se vrátil (co následovalo po 17. listopadu 1939), Astra, Bratislava 1993, ISBN 80-967060-0-4, S. 461. (tschechisch)
  • Tomáš Pasák: 17. listopad 1939 a Univerzita Karlova, Praha: Karolinum, 1997, ISBN 978-8071842552, S. 207. (tschechisch)
  • Marie Turková: Jan Opletal: známý či neznámý hrdina, Baštan 2011, ISBN 978-80-87091-26-5, S. 71. (tschechisch)

Weblinks

Commons: Jan Opletal – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

  1. a b c d Brian Kenety: The 17th of November: Remembering Jan Opletal, martyr of an occupied nation, Radio Praha, 17. November 2005
  2. Litovelské Pomoraví: Opletal Jan – První studentská oběť nacismu v Československu, abgerufen am 12. Juni 2016.
  3. Město Litovel: Student Jan Opletal, abgerufen am 12. Juni 2016.
  4. Peter Demetz: Prague in Danger: The Years of German Occupation, 1939–45: Memories and History, Terror and Resistance, Theater and Jazz, Film and Poetry, Politics and War. Farrar, Straus and Giroux, New York City 2008, ISBN 978-0-374-28126-7, S. 79
  5. a b Peter Demetz: Prague in Danger: The Years of German Occupation, 1939–45: Memories and History, Terror and Resistance, Theater and Jazz, Film and Poetry, Politics and War. Farrar, Straus and Giroux, New York City 2008, ISBN 978-0-374-28126-7, S. 80
  6. Originals vom 28. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.historickykaleidoskop.cz, bei Historický Kaleidoskop, 17. November 2014
  7. Detlef Brandes: Die Tschechen unter deutschem Protektorat. Teil I. Besatzungspolitik, Kollaboration und Widerstand im Protektorat Böhmen und Mähren bis Heydrichs Tod (1939–1942). Oldenbourg, München / Wien 1969, ISBN 3-486-43041-6, S. 93. (Die Brandes vorliegende Literatur, mit dem Wissenstand von 1946, differenziert nicht zwischen Oranienburg und Sachsenhausen).
  8. More Czechs shot. New York Times, 19. November 1939
  9. In seinem Aufsatz Samtene Revolution in Vergangenheit und Zukunft hat Timothy Garton Ash alle gewaltlosen Revolutionen von der portugiesischen Nelkenrevolution 1974 ab als samtene Revolution bezeichnet und dies Attribut auch zukünftigen gewaltlosen Revolutionen zugeschrieben. Timothy Garton Ash, Samtene Revolution in Vergangenheit und Zukunft, in: Jahrhundertwende. Weltpolitische Betrachtungen 2000–2010, München 2010, S. 87–100.
  10. Verliehener Titel post hum – im Fließtext auf der Seite des Ministeriums für Industrie und Handel der Tschechischen Republik (Ministerstvo průmyslu a obchodu CR) abgerufen am 2. Juli 2016
  11. Prague Castel: List of Honoured, President of the Czech Republic, First Class
  12. The International Day of Students: Homepage der Website, abgerufen am 17. Mai 2016.
  13. European Students' Union: SKRVS: Awarding the Jan Opletal Prize to mark the International Students' Day (Memento des Originals vom 30. Mai 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.esu-online.org, abgerufen am 17. Mai 2016.
  14. Colnect: Stamp catalog : Stamp › Jan Opletal (1915–1939), abgerufen am 15. Mai 2016
  15. Sonderbriefmarke 2015 – Abbildung auf der Seite des Ministeriums für Industrie und Handel der Tschechischen Republik (Ministerstvo průmyslu a obchodu CR) abgerufen am 9. Juni 2016
  16. Nesmíme zapomenout: Jan Opletal a další oběti listopadu 1939: nacistická perzekuce českých studentů během druhé stvětové války, 25. August 2014, abgerufen am 6. Januar 2016.
Normdaten (Person): GND: 1114421154 (lobid, OGND, AKS) | LCCN: n2015028063 | VIAF: 84046986 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Opletal, Jan
KURZBESCHREIBUNG tschechoslowakischer Medizinstudent, Opfer des Nationalsozialismus
GEBURTSDATUM 1. Januar 1915
GEBURTSORT Lhota nad Moravou, Österreich-Ungarn
STERBEDATUM 11. November 1939
STERBEORT Prag