Joachim Lipschitz

Büste, Auerbacher Straße 7, in Berlin-Grunewald
Gedenktafel am Haus Stühlinger Straße 15, in Berlin-Karlshorst

Joachim Lipschitz (* 19. März 1918 in Berlin; † 11. Dezember 1961 ebenda) war ein deutscher Politiker (SPD).

Biografisches

Als Kind einer sozialdemokratischen Arztfamilie aus Charlottenburg hatte Lipschitz sich als Heranwachsender im „Jungbanner“, der Jugendorganisation des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, sowie im Sozialistischen Schülerbund engagiert. Wegen seines jüdischen Vaters galt er den Nationalsozialisten als „Halbjude“ und hatte vielfältige Diskriminierungen zu erleiden. Er durfte nach seinem Abitur 1936 nicht studieren und absolvierte eine kaufmännische Lehre in einer Berliner Elektrofabrik. Danach arbeitete er als Hilfsschlosser.[1] Im April 1939 wurde er zum Reichsarbeitsdienst einberufen und mit Kriegsbeginn der Wehrmacht überstellt. Als Soldat wurde er 1941 schwer verwundet (Verlust des linken Arms) und 1942 aus der Wehrmacht entlassen. Ob das „aus rassischen Gründen“ geschah oder wegen seiner Kriegsverletzung, ist nicht klar.[2] 1944 tauchte er unter, weil im Rahmen der Aktion Mitte nunmehr auch sogenannte „Mischlinge ersten Grades“ und „jüdisch Versippte“ zur Zwangsarbeit in Lager der Organisation Todt eingewiesen wurden.[3] Er fand Hilfe und Unterschlupf in der Stühlinger Straße in Berlin-Karlshorst.[4]

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs heiratete Lipschitz im Mai 1945 die spätere Abgeordnete Eleonore Lipschitz. Er trat im Juni 1945 der SPD bei[5] und wurde von Ende 1946 bis August 1948 Bezirksstadtrat für Personal und Verwaltung im Bezirk Lichtenberg. "Im August 1948 [wurde er] von der sowjetischen Militärkommandantur aus dem Dienst entfernt und im Anschluß daran in Abwesenheit von einem sowjetischen Militärtribunal zu 25 Jahren Zwangsarbeit verurteilt."[6] Um der drohenden Inhaftierung zu entgehen, flohen er und seine Ehefrau – Gegner der Vereinigung von SPD und KPD – nach West-Berlin. Dort leitete er zunächst die zentrale Meldestelle für aus politischen Gründen entlassenen Ost-Berliner, von 1949 bis 1955 war er Bezirksstadtrat in Neukölln. Seit 1951 Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses, wurde Lipschitz im Januar 1955 vom Regierenden Bürgermeister Otto Suhr zum Innensenator ernannt, eine Stellung, die Lipschitz auch unter Suhrs Nachfolger Willy Brandt behielt. Lipschitz ging „mit äußerster Härte gegen wirkliche oder vermeintliche Kommunisten vor“[7] und verweigerte dem Aufrüstungsgegner Rudolf Schottlaender wegen politischer Betätigung die Fortzahlung seiner Verfolgtenrente.[8] Gleichzeitig setzte er sich als Vorsitzender des Wiedergutmachungsausschusses des Bundesrats für eine großzügige Verfahrensweise bei der Handhabung des Bundesentschädigungsgesetzes ein.

Grab des Ehepaars Lipschitz

In Erinnerung geblieben ist seine Initiative „Unbesungene Helden“, eine Aktion, mit der erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland jene Berliner geehrt wurden, die NS-Verfolgten Unterschlupf gewährt hatten.

Lipschitz starb unerwartet an einem Herzinfarkt.[9] Er ist auf dem Kirchhof Sankt Simeon und Sankt Lukas in Berlin-Britz bestattet. Sein Grab ist seit 1965 als Ehrengrab der Stadt Berlin gewidmet.

Ehrungen

In der zum Berliner Bezirk Neukölln gehörenden Gropiusstadt sind die Lipschitzallee und der Lipschitzplatz sowie ein U-Bahnhof nach dem Politiker benannt. In Berlin-Spandau trug die dortige Polizeischule seinen Namen, heute heißt sie Polizeiakademie Berlin.

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Commons: Joachim Lipschitz – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Literatur von und über Joachim Lipschitz im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
  • SPD Berlin – Biographie
  • Berliner Abendschau: Senator Lipschitz stellt neue Polizei-Uniformen vor. In: ardmediathek.de. 7. Januar 1961, abgerufen am 24. Januar 2023. 

Einzelnachweise

  1. Dennis: Riffel: Unbesungene Helden. Metropol, Berlin 2007, S. 48f.
  2. Siehe Dennis Riffel: Unbesungene Helden. Metropol, Berlin 2007, S. 49.
  3. Siehe Dennis Riffel: Unbesungene Helden. Metropol, Berlin 2007, S. 50.
  4. Hans-Rainer Sandvoß: Widerstand in Friedrichshain und Lichtenberg. Hrsg. Gedenkstätte Deutscher Widerstand 1998; S. 296/297: Joachim Lipschitz taucht unter
  5. Dennis Riffel: Unbesungene Helden. Metropol, Berlin 2007, S. 5.
  6. Willy Brandt, in: Joachim Lipschitz zum Gedenken, Hrsg. Der Senator für Inneres, Berlin 1962
  7. Christian Pross: Wiedergutmachung: Der Kleinkrieg gegen die Opfer, Athenäum, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-610-08502-9, S. 28
  8. Christian Pross: Wiedergutmachung: Der Kleinkrieg gegen die Opfer, Athenäum, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-610-08502-9, S. 105
  9. Joachim Lipschitz zu Ehren und zum Gedenken, Hrsg. Bund politisch, rassisch, religiös Verfolgter (BUND PRV), Berlin, Dezember 1962, S. 6
Innensenatoren von Berlin

Werner Müller (parteilos, 1951–1953) | Hermann Fischer (FDP, 1953–1955) | Joachim Lipschitz (SPD, 1955–1961) | Heinrich Albertz (SPD, 1961–1963) | Otto Theuner (SPD, 1963–1965) | Heinrich Albertz (SPD, 1965–1966) | Otto Theuner (SPD, 1966–1967) | Wolfgang Büsch (SPD, 1967) | Dietrich Spangenberg (SPD, 1967) | Kurt Neubauer (SPD, 1967–1977) | Peter Ulrich (SPD, 1977–1981) | Frank Dahrendorf (SPD, 1981) | Heinrich Lummer (CDU, 1981–1986) | Wilhelm Kewenig (CDU, 1986–1989) | Erich Pätzold (SPD, 1989–1991) | Dieter Heckelmann (CDU, 1991–1996) | Jörg Schönbohm (CDU, 1996–1998) | Eckart Werthebach (CDU, 1998–2001) | Ehrhart Körting (SPD, 2001–2011) | Frank Henkel (CDU, 2011–2016) | Andreas Geisel (SPD, 2016–2021) | Iris Spranger (SPD, seit 2021)

Normdaten (Person): GND: 117057908 (lobid, OGND, AKS) | VIAF: 13074806 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Lipschitz, Joachim
KURZBESCHREIBUNG deutscher Jurist und Politiker (SPD), MdA und Berliner Senator
GEBURTSDATUM 19. März 1918
GEBURTSORT Berlin
STERBEDATUM 11. Dezember 1961
STERBEORT Berlin