Johann Baptist Georg Neruda

Johann Baptist Georg Neruda (* als Jan Křtítel Jiří Neruda um 1711 in Rosice[1][2][3][4][5]; † 11. Oktober 1776 in Dresden[1][2][5][6][7]) war ein böhmischer Violinist, Kapellmeister und Komponist der Vorklassik. Nach einigen Jahren in Prag wirkte er über dreißig Jahre in Dresden, davon über zwanzig Jahre Violinist in der Dresdner Hofkapelle.[8][9]

Leben

Johann Baptist Georg Neruda erlernte das Violin- und das Cellospiel.[1][2][10] Nach seiner Ausbildung in Prag spielte er einige Jahre in einem dortigen Theaterorchester.[1][2][11] 1741 kam er nach Dresden.[1] Dort trat er spätestens 1742 in den Dienst des Grafen Friedrich August Rutowski.[1][2] 1750, eventuell schon Mitte 1749, wurde er Mitglied der Dresdner Hofkapelle.[1][2][12][13] Hier arbeitete er sich in der Hierarchie vom 14. bis zum 3. Violinisten vor.[1][14] Zu seinen Schülern zählten seine Söhne Ludwig Neruda und Anton Friedrich Neruda, die beide ebenfalls Violinisten der Hofkapelle wurden.[1][2][11][15][16] Daneben erwähnt Dlabac als belanntesten Schüler den Konzertmeister des Markgrafen Friedrich Heinrich von Brandenburg-Schwedt Josef Simon Heinze, den er 1751 ausgebildet haben soll.[17] 1772 begab er sich aus Altersgründen in den Ruhestand.[18][19] In Dresden blieb er bis zu seinem Tod.[2]

Nach Bohumír Jan Dlabač war der Geiger Jan Chrysostomos Neruda sein Bruder. Nach einer kurzen Zeit als Geiger in einem Prager Theaterorchester trat dieser 1726 in das Prämonstratenserkloster Strahov in Prag ein, wo er 1733 Succentor und 1743 Regens chori wurde.[1][2][11]

Werke

Die Musikwissenschaftlerin Zdenka Pilková erstellte 1990 einen thematischen Katalog der Werke Johann Baptist Georg Nerudas.[1] Einen weiteren thematischen Index erstellte der Musikwissenschaftler Hans-Günther Ottenberg: Jan Křtitel Jiří Neruda. Thematic index. (OttNe, RISM ID: lit817) Mindestens 97 musikalische Werke werden ihm zugeschrieben, obwohl viele davon heute verloren sind.[2] Im 18. Jahrhundert wurden Kopien seiner Werke in Böhmen, Deutschland und Schweden verbreitet.[1][2] Zwischen 1762 und 1771 bewarb der Katalog des Musikverlegers Breitkopf 68 Werke Nerudas.[2] Der Schwerpunkt seines Schaffens lag auf der Instrumentalmusik.[1] Seine Musik zeigt deutliche Anzeichen italienischer Einflüsse. Seine Verwendung von Dynamik ist offensichtlich von der Mannheimer Schule beeinflusst.[1][2]

Sein heute bekanntestes Werk, das Konzert für Trompete, Streicher und Basso Continuo in Es-Dur wurde ursprünglich für Corno da caccia geschrieben. Nachdem es in Vergessenheit geraten war, erreichte es durch eine 1968 veröffentlichte Ausgabe für Trompete eine gewisse Popularität.[13] Die einzigen zu Lebzeiten im Druck erschienenen Kompositionen sind sechs Triosonaten für zwei Violinen und Bass, 1764 bei Breitkopf & Härtel in Leipzig.[20][21]

Oper

Kirchenmusik

  • Missa pastoritia für vier Stimmen, zwei Trompeten, zwei Violinen und Orgel[1]
  • Salve Regina für Sopran, Alt, zwei Oboen, zwei Violinen, Viola und Orgel[1][23]

Werke für Orchester

  • 36 Sinfonien[1][2][24]
    • Sinfonie A-Dur für Streicher und Basso continuo OttNe A1 RISM ID: 212003082 (Digitalisat der Sächsischen Landesbibliothekhttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttps%3A%2F%2Fdigital.slub-dresden.de%2Fwerkansicht%2Fdlf%2F15592%2F1~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3DDigitalisat%20der%20S%C3%A4chsischen%20Landesbibliothek~PUR%3D)
    • Sinfonie D-Dur RISM ID: 452506483 (Digitalisat der digitalisierten Sammlungen der Staatsbibliothek zu Berlinhttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttp%3A%2F%2Fresolver.staatsbibliothek-berlin.de%2FSBB0002232F00000000~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3DDigitalisat%20der%20digitalisierten%20Sammlungen%20der%20Staatsbibliothek%20zu%20Berlin~PUR%3D)
    • Sinfonie F-Dur (Digitalisat beim IMSLPhttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttps%3A%2F%2Fimslp.org%2Fwiki%2FSymphony_in_F_major_%28Neruda%252C_Johann_Baptist_Georg%29~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3DDigitalisat%20beim%20IMSLP~PUR%3D)
    • Von der Sinfonia in G major, GraunWV D:XII:108, die bisher Johann Gottlieb Graun zugeordnet wurde, wird die Urheberschaft Nerudas diskutiert. (Digitalisat beim IMSLPhttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttps%3A%2F%2Fimslp.org%2Fwiki%2FSinfonia_in_G_major%252C_GraunWV_D%3AXII%3A108_%28Graun%252C_Johann_Gottlieb%29~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3DDigitalisat%20beim%20IMSLP~PUR%3D)
  • 10 Violinkonzerte[1][2]
  • 1 Fagottkonzert[1][2]
  • Hornkonzert Es-Dur, für Corno da caccia, herausgegeben von E. Leloir, 1772[1]; herausgegeben von M. Sommerhalder, Edinburgh, 1992[1][2][13] (Digitalisat der Solostimme beim IMSLPhttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttps%3A%2F%2Fimslp.org%2Fwiki%2FHorn_Concerto_in_E-flat_major_%28Neruda%252C_Johann_Baptist_Georg%29~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3DDigitalisat%20der%20Solostimme%20beim%20IMSLP~PUR%3D)

Kammermusik

  • 33 Triosonaten[1][2], die meisten für zwei Violinen und Basso continuo[2]
    • 6 Triosonaten für zwei Violinen und Bass, Breitkopf & Härtel in Leipzig, 1764 (Digitalisat beim IMSLPhttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttps%3A%2F%2Fimslp.org%2Fwiki%2F6_Trio_Sonatas_%28Neruda%252C_Johann_Baptist_Georg%29~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3DDigitalisat%20beim%20IMSLP~PUR%3D)
  • 8 Sonaten für Violine und Basso continuo[1]
    • Sonate a-moll, herausgegeben von S. Gerlach and Z. Pilková, Böhmische Violinsonaten 1, München, 1982[1][2] (Digitalisat beim IMSLPhttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttps%3A%2F%2Fimslp.org%2Fwiki%2FViolin_Sonata_in_A_minor_%28Neruda%252C_Johann_Baptist_Georg%29~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3DDigitalisat%20beim%20IMSLP~PUR%3D)
  • Diverse Tänze[1][2]
    • Menuets et Polonois de la Redoute de Dresda, 1753 RISM ID: 553013259 (Digitalisat bei Moravská zemská knihovna v Brněhttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttps%3A%2F%2Fwww.digitalniknihovna.cz%2Fmzk%2Fuuid%2Fuuid%3A035b2eb4-2e6d-4e1a-be46-f21bf80943c1~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3DDigitalisat%20bei%20Moravsk%C3%A1%20zemsk%C3%A1%20knihovna%20v%20Brn%C4%9B~PUR%3D)
    • Balli per anno 1754, 36 Tänze für Cembalo RISM ID: 225003578 (Digitalisat bei Sachsen.digitalhttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttp%3A%2F%2Fdigital.slub-dresden.de%2Fid454516193~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3DDigitalisat%20bei%20Sachsen.digital~PUR%3D)

Literatur

  • Neruda, Johann Georg. In: Gerber, Ernst Ludwig: Historisch-Biographisches Lexicon der Tonkünstler, welches Nachrichten von dem Leben und Werken musikalischer Schriftsteller, berühmter Componisten, Sänger, Meister auf Instrumenten, Dilettanten, Orgel- und Instrumentenmacher, enthält, Band 2, N - Z, Leipzig, 1792 (Digitalisat beim Münchener Digitalisierungszentrum der Bayerischen Staatsbibliothekhttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D%7B%7B%7B1%7D%7D%7D~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A11709113~SZ%3D13~doppelseitig%3D~LT%3DDigitalisat%20beim%20M%C3%BCnchener%20Digitalisierungszentrum%20der%20Bayerischen%20Staatsbibliothek~PUR%3D)
  • Dlabač, Bohumír Jan: Neruda, Johann Baptist Georg, in: Allgemeines historisches Künstler-Lexikon für Böhmen und zum Theil auch für Mähren und Schlesien. Band 2: I - R, Haase, Prag, 1815, Spalte 370 (Digitalisat beim Münchener Digitalisierungszentrum der Bayerischen Staatsbibliothekhttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D%7B%7B%7B1%7D%7D%7D~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A10983511~SZ%3D188%2C189~doppelseitig%3D~LT%3DDigitalisat%20beim%20M%C3%BCnchener%20Digitalisierungszentrum%20der%20Bayerischen%20Staatsbibliothek~PUR%3D)
  • Neruda, Johann Baptist. In: Eitner, Robert: Biographisch-bibliographisches Quellen-Lexikon der Musiker und Musikgelehrten der christlichen Zeitrechnung bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts, 7. Band, Milleville, Francesco – Pluvier, Breitkopf & Haertel, 1902 (Digitalisat beim Internet Archivehttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D%7B%7B%7B1%7D%7D%7D~GB%3D~IA%3Dbiographischbibl07eitn~MDZ%3D%0A~SZ%3D174~doppelseitig%3D~LT%3DDigitalisat%20beim%20Internet%20Archive~PUR%3D)
  • Constantin von Wurzbach: Neruda, Johann Georg. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 20. Theil. Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1869, S. 189 f. (Digitalisat).
  • Undine Wagner: Neruda, Johann Baptist Georg. In: Ludwig Finscher (Hrsg.): Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Zweite Ausgabe, Personenteil, Band 12 (Mercadante – Paix). Bärenreiter/Metzler, Kassel u. a. 2004, ISBN 3-7618-1122-5, Sp. 997–998 (Online-Ausgabe, für Vollzugriff Abonnement erforderlich)
  • Zdeňka Pilková: Neruda, Johann Baptist Georg. In: Grove Music Online (englisch; Abonnement erforderlich).
  • Petr Macek: Neruda, Jan Křtitel Jiří, in: Český hudební slovník osob a institucí, 2006[11] (tschechisch)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v w x y MGG online: Neruda, Johann Baptist Georg
  2. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v Grove Music online: Artikel Neruda, Johann Baptist Georg
  3. Nach Petr Macekim im Český hudební slovník sei er zwischen 1706 und 1710, angeblich in Rosice geboren worden. Aber weder in den Kirchenbüchern von Rosice u Chrasti und Rosice nad Labem in Pardubice fänden sich Eintragungen.
  4. Nach Dlabac in Rosice gebürtig.
  5. a b Nach Dlabac starb er 1780 im 74. Lebensjahr.
  6. Gerber schreibt 1792: Er scheint um 1780 in einem Alter von etliche 70 Jahre in Dresden gestorben zu sein.
  7. Nach Petr Macek im Český hudební slovník starb Neruda um 1780 in Dresden.
  8. Carl Burney schreibt auf Seite 28 im dritten Band des Tagebuchs seiner musikalischen Reisen durch Böhmen, Sachsen, Brandenburg, Hamburg und Holland. (Bode, Hamburg, 1773): Sgr. Bezozzi war so guetig, mir eine Liste der Hof- und Kapellmusiker, die itzt in Dresden sind, zu geben. Wenn ich sie mit der in Marpurgs Beyträgen z. B. vergleiche, so finde ich, daß bloß die beiden Bezozzi’s, Binder, Götzel, Hunt Neruda und der Adam von der alten Gesellschaft übrig sind.
  9. Gerber nennt ihn 1792 Kammermusicus und Violinist über dreissig Jahre in der Dresdner Hofkapelle. Weiter bezeichnet er ihn als einen braven Violinisten und gründlichen Komponisten.
  10. Nach Dlabac ein berühmter Violinist und Violonzellist
  11. a b c d e Petr Macek: Neruda, Jan Křtitel Jiří. In: Český hudební slovník. Centrum hudební lexikografie, 21. Februar 2006, abgerufen am 13. April 2024 (tschechisch). 
  12. Zdeňka Pilková: Jan Jiří Neruda. In: Hubert Unverricht (Hrsg.): Beiträge zur Musikgeschichte Ost-, Mittel- und Südosteuropas. Sinzig 1999, S. 103–152. 
  13. a b c Dominik Rahmer: Vorwort. In: Johann Baptist Georg Neruda: Konzert für Horn (Trompete) und Streicher Es-Dur. G. Henle Verlag, 2018, S. III. 
  14. Nach Petr Macek im Český hudební slovník sei er Konzertmeister der Hofkapelle gewesen.
  15. Gerber schreibt 1792: Er hat aber ein paar geschickte Virtuosen an seynen beyden Söhnen, Ludewig und Anton Friedrich, beides itzige Kammermusici zu Dresden erzogen.
  16. Nach Dlabac hatte er zwei Söhne, Ludwig und Anton, beide geschickte Virtuosen und 1794 Kammermusiker zu Dresden.
  17. Dlabac: Auch der vortreffliche Konzertmeister des Markgrafen von Schwedt Josef Simon Heinze (Hinze, Häntze) ist einer der besten Schüler von ihm , den er 1751 ausgebildet haben soll.
  18. Gerber schreibt 1792: Schon seit 1772 spielte er Alters halben nur noch selten.
  19. Nach Dlabac legte er nach über 30 Jahren 1772 altershalber die Violine nieder.
  20. Gerber schreibt 1792: Von seiner Arbeit sind zwar nur 6 Violintrios 1763 gedruckt worden. In MS hingegen hat man auf 18 Sinfonien, 4 Violinconzerten 24 Violintrios, worunter sich 6 mit wohlgearbeiteten Fugen befinden und 6 Violinsolos.
  21. Dlabac: Neruda machte eine Menge von seinen Kompositionen bekannt, wovon aber nur 6 Violintrios 1763 im Stich erschienen sind. Unter anderen seinen Komposizionen zeichnen sich 18 Symphonien, 4 Violinkonzerte, 24 Violintrios und 6 Violinsolos, wovon 6 mit wohlgearbeiteten Fugen versehen sind.
  22. Eitner erwähnt 1902 ein Manuskript in Upsala, jedoch nur Stimmenmaterial (eine Oboen-, zwei Flöten- und zwei Hornstimmen).
  23. Robert Eitner: Neruda, Johann Baptist. In: Biographisch-bibliographisches Quellen-Lexikon der Musiker und Musikgelehrten der christlichen Zeitrechnung bis zur Mitte des neunzehnten Jahrhunderts. Band 7. Breitkopf & Haertel, Leipzig 1902, S. 174 (archive.org [abgerufen am 13. April 2024]). 
  24. Nach Petr Macek im Český hudební slovník 18 Sinfonien.
Normdaten (Person): GND: 134471792 (lobid, OGND, AKS) | LCCN: n81132009 | VIAF: 100314475 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Neruda, Johann Baptist Georg
ALTERNATIVNAMEN Neruda, Jan Křtítel Jiří
KURZBESCHREIBUNG böhmischer Violinist und Komponist der Vorklassik
GEBURTSDATUM um 1711
GEBURTSORT Rosice
STERBEDATUM 11. Oktober 1776
STERBEORT Dresden