Poincaré-Abbildung

Illustration der Wiederkehr einer Trajektorie nach S {\displaystyle S} .

Die Poincaré-Abbildung (auch Poincaré map, first return map, nach dem französischen Mathematiker Henri Poincaré) ist eine mathematische Methode zur Untersuchung des Flusses eines kontinuierlichen n-dimensionalen dynamischen Systems. Dazu betrachtet man die Schnittpunkte einer Trajektorie mit einer (n-1)-dimensionalen transversalen Hyperfläche Σ {\displaystyle \Sigma } , dem Poincaré-Schnitt. Die Poincaré-Abbildung ist die Abbildung die jedem dieser Schnittpunkte x {\displaystyle x} den jeweils nächsten P ( x ) {\displaystyle P(x)} zuordnet und ist somit ein (n-1)-dimensionales diskretes dynamisches System.

Beispiel

Poincaré-Schnitt für eine periodische Trajektorie γ {\displaystyle \gamma }

Betrachte die Differentialgleichung x ˙ ( t ) = f ( x ( t ) ) {\displaystyle {\dot {x}}(t)=f(x(t))} und bezeichne mit Φ ( t , x ) {\displaystyle \Phi (t,x)} den Fluss, also die Lösung zur Anfangsbedingung Φ ( 0 , x ) = x {\displaystyle \Phi (0,x)=x} . Angenommen, es gibt eine periodische Trajektorie, also eine Lösung Φ ( t , p ) {\displaystyle \Phi (t,p)} , die bei p {\displaystyle p} startet und nach einer bestimmten Zeit τ {\displaystyle \tau } wieder dorthin zurückkehrt, Φ ( τ , p ) = p {\displaystyle \Phi (\tau ,p)=p} . Dann kann man eine Fläche Σ {\displaystyle \Sigma } wählen, die transversal zur Trajektorie Φ ( t , p ) {\displaystyle \Phi (t,p)} ist und diese in p {\displaystyle p} schneidet. Alle Trajektorien, die in Punkten x Σ {\displaystyle x\in \Sigma } in der Nähe von p {\displaystyle p} starten, werden dann nach einer bestimmten Zeit wieder die Fläche schneiden. Es gibt also eine kleinste positive Zeit τ ( x ) > 0 {\displaystyle \tau (x)>0} , für die Φ ( τ ( x ) , x ) Σ {\displaystyle \Phi (\tau (x),x)\in \Sigma } gilt. Dann ist die Poincaré-Abbildung gegeben durch P ( x ) = Φ ( τ ( x ) , x ) {\displaystyle P(x)=\Phi (\tau (x),x)} . Speziell für die periodische Trajektorie erhält man einen Fixpunkt: P ( p ) = p {\displaystyle P(p)=p} . Die Frage, ob die periodische Trajektorie stabil ist, ist nun äquivalent zur Frage, ob der entsprechende Fixpunkt der Poincaré-Abbildung stabil ist.

Anwendung

Die Poincaré-Abbildung ist besonders zur Untersuchung der geometrischen Strukturen chaotischer Attraktoren geeignet, da die zeitliche Diskretisierung eine wesentliche Vereinfachung darstellt.[1]

In der Kardiologie findet die Darstellung bei der Auswertung eines Langzeit-EKGs Verwendung. Durch Anwendung auf die Abstände zwischen den jeweiligen Herzschlägen kann auf Herzrhythmusstörungen wie Vorhofflimmern rückgeschlossen werden.

Eine weitere Anwendung findet sich in der Stressforschung: hier lassen sich aus den Poincaré-Abbildungen mit den beiden orthogonal aufeinander stehenden Durchmessern SD1 und SD2 die parasympathischen und sympathischen Einflüsse auf die Herzfrequenz ablesen (Herzfrequenzvariabilität).

Literatur

  • Herbert Amann: Gewöhnliche Differentialgleichungen. 2. Auflage. de Gruyter, Berlin 1995, ISBN 3-11-014582-0. 
  • D. V. Anosov: Poincaré return map. In: Michiel Hazewinkel (Hrsg.): Encyclopedia of Mathematics. Springer-Verlag und EMS Press, Berlin 2002, ISBN 1-55608-010-7 (englisch, encyclopediaofmath.org). 
  • Gerald Teschl: Ordinary Differential Equations and Dynamical Systems (= Graduate Studies in Mathematics. Band 140). American Mathematical Society, Providence 2012, ISBN 978-0-8218-8328-0 (mat.univie.ac.at). 

Einzelnachweise

  1. Manfred von Ardenne et al.: Effekte der Physik und ihre Anwendungen. Verlag Harry Deutsch, Frankfurt 2005. ISBN 3-8171-1682-9, S. 1130