Britisch-Somaliland

Protektorat Somaliland
Somaliland Protectorate
1884/1887–1940, 1941–1960
Flagge (1952–1960) Emblem (1952–1960)
Amtssprache Englisch
Hauptstadt Berbera (bis 1940)
Hargeysa (ab 1941)
Staats- und Regierungsform britisches Protektorat
(bis 1898 durch Britisch-Indien verwaltet)
Fläche 176.113 km²
Einwohnerzahl 640.000 (1955)
Bevölkerungsdichte 3,6 Einwohner pro km²
Währung Rupie (1884–1940)
Ostafrikanischer Schilling (1941–1962)
Errichtung 20. Juli 1887
Unabhängigkeit 26. Juni 1960
Abgelöst von Somaliland
Kfz-Kennzeichen SP
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Britisch-Somaliland war von 1884 bis 1960 ein britisches Protektorat auf dem Gebiet des heutigen Nordsomalia bzw. des faktisch autonomen Somaliland. Das Gebiet war 176.113 km² groß und hatte 1955 etwa 640.000 Einwohner.[1]

Geschichte

Großbritannien hatte 1827 einen ersten Schutzvertrag mit einem lokalen Clan an der Nordküste des von Somali bewohnten Gebietes abgeschlossen und seit 1839 Abgesandte in den Hafenstädten Zeila und Berbera stationiert, um die Seehandelsrouten durch das Rote Meer nach Indien zu sichern. Von 1884 bis 1886 schloss es weitere Verträge mit verschiedenen Clans und sicherte sich damit das Gebiet, das vorwiegend von nomadischen Somali-Viehzüchtern aus den Clans der Isaaq sowie Dir und Darod bewohnt war.

Von 1884 bis 1898 wurde das Protektorat von Bombay aus verwaltet und stand in enger Verbindung mit der Provinz Aden (späteren Kolonie Aden). Die Grenzen von Britisch-Somaliland wurden in Verträgen mit Italien (1894) und Abessinien (1897 und 1954) festgelegt. Bereits 1888 wurde mit Frankreich ein Abkommen getroffen. Dabei wurde u. a. die Insel Musha im Golf von Tajura zum Preis von zehn Säcken Reis von der indischen Regierung gekauft und abgetreten.[2] Danach wurde Britisch-Somaliland vom Foreign Office und ab 1905 vom Colonial Office verwaltet.

Die Briten nutzten die Kolonie als Militärstützpunkt und Versorgungsstation für Schiffe und etablierten vor allem einen umfangreichen Exporthandel mit Lebendvieh, das sie zur Versorgung ihrer nahegelegenen Kolonie Aden brauchten. Verwaltungssitz der Kolonie war bis 1942 die Hafenstadt Berbera, über die diese Exporte abgewickelt wurden. Im Landesinneren führte der wachsende Handel dazu, dass sich Hargeysa und Burao als größere Orte und Handelszentren herausbildeten. Der Viehexport als bedeutender Wirtschaftsfaktor blieb über die Kolonialzeit hinaus erhalten, da ab den 1950ern eine hohe Nachfrage aus den durch Erdölförderung wohlhabend gewordenen arabischen Staaten nach somalischem Vieh aufkam.

An einer umfangreicheren Kontrolle und Entwicklung ihres Somaliland waren die Briten – im Unterschied zu den Italienern im angrenzenden Italienisch-Somaliland – kaum interessiert. Sie beschränkten sich weitgehend auf eine indirekte Herrschaft über das Gebiet, investierten kaum in seine Entwicklung und griffen wenig in die inneren Verhältnisse ein. So blieben lokale Strukturen wie die Ältestenräte (guurti), die traditionell für Friedensstiftung zwischen den Clans zuständig sind, weitgehend erhalten.

Nicht alle Clans unterstellten sich der Fremdherrschaft widerstandslos. Für Unmut sorgte dabei insbesondere der Grenzvertrag mit Abessinien von 1897, der Abessiniens Hoheit über den Ogaden einschließlich des bedeutenden Weidelandes im Haud-Gebiet anerkannte. Zwischen 1899 und 1920 führten insbesondere die Dolbohanta (Dhulbahante)-Darod unter Mohammed Abdullah Hassan einen religiös und nationalistisch motivierten Guerillakrieg gegen die Kolonialherrschaft. Im Laufe dieses Krieges, verbunden mit einer Hungersnot 1911/12, kam etwa ein Drittel der Bevölkerung um.

Die neue ins Amt gelangte Regierung Baldwin bot im August 1934 ihrem kurzzeitigen Verbündeten in der Stresa-Front, Mussolini, den Ogaden an. Gleichzeitig sollte Abessinien durch einen Landstreifen als Korridor zum Hafen Zeila entschädigt werden.[3]

Im Spätsommer 1940 besetzte das faschistische Italien im Rahmen seines Ostafrikafeldzugs Britisch-Somaliland. Im Frühjahr 1941 eroberte Großbritannien Britisch-Somaliland zurück und unterstellte es zusammen mit dem ebenfalls eroberten Italienisch-Somaliland bis 1950 einer Militärverwaltung. Deren Sitz wurde ab 1942 Hargeysa. Die Somali wurden nun in die Verwaltung einbezogen, ab 1947 bestand ein Advisory Council aus lokalen Vertretern, die einmal jährlich zusammentraten.

Mit der Rückeroberung Britisch-Somalilands 1941 wurde der Ostafrikanische Schilling als Währung eingeführt.

1950 wurde Italienisch-Somaliland als Italienisches Treuhandgebiet Somalia an Italien zurückgegeben, während Britisch-Somaliland als Kolonie bei Großbritannien blieb. 1957 wurde die politische Beteiligung der Lokalbevölkerung erweitert, indem ein Exekutivrat (Executive Council) und ein Legislativrat (Legislative Council) gebildet wurden. Diese wurden teils gewählt und teils vom Gouverneur ernannt. Bei den ersten Wahlen zum Legislativrat im Februar 1960 erhielt die Partei „Somalische Nationale Liga“ 20 von 33 Sitzen.

Als die Unabhängigkeit Italienisch-Somalilands für den 1. Juli 1960 angesetzt war, forderte der Legislative Council die rasche Unabhängigkeit Britisch-Somalilands, um eine Vereinigung mit Italienisch-Somaliland als Schritt zur Einigung aller Somali in einem Staat zu erreichen. Innerhalb von zwei Monaten wurde die Unabhängigkeit vorbereitet und schließlich am 26. Juni 1960 gewährt, fünf Tage später erfolgte der Zusammenschluss mit Italienisch-Somaliland zum Staat Somalia.

Siehe auch

Literatur

  • Maria Brons: Somaliland. Zwei Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung (= Arbeiten aus dem Institut für Afrika-Kunde. 89). Institut für Afrika-Kunde, Hamburg 1993, ISBN 3-928049-23-2, S. 4 ff., 39.
  • Mark Bradbury: Becoming Somaliland. Progressio u. a., London 2008, ISBN 978-1-84701-311-8, S. 23 ff.

Einzelnachweise

  1. Bertelsmann Lexikon-Redaktion (Hrsg.): Bertelsmann Weltatlas. 36. Aufl., Bertelsmann, Gütersloh 1960, S. 275.
  2. Philip J. Haythornthwaite: The Colonial Wars Source Book. Arms and Armour Press, London 1995, ISBN 1-85409-196-4, S. 174.
  3. Piers Brendon: The Dark Valley. A panorama of the 1930s. Jonathan Cape, London 2000, ISBN 0-224-06038-4, S. 70.
Somalische Staaten/Regimes
(Vorgänger- und Nachfolger- oder Zerfallsstaaten bzw. Regimes und ihr politisches System)
Kolonialzeit

Majerteen-Sultanat (1600–1924) | Staat der Derwische (1896–1920, Unabhängigkeitsbewegung/Miliz) | Deutsche Kolonialbestrebungen (1885–1890, Schutzverträge) | Italienisch-Somaliland (ab 1888 Protektorat unter Zivilverwaltung durch Kolonialgesellschaften, ab 1905 Kolonie) | Oltre Giuba (1924–1926), eigenständige Kolonie bis zur Angliederung an Ital.-Somaliland) | Italienisch-Ostafrika (1936–1941, enthielt Somalia als Teilgebiet, ab 1940 inkl. erobertes Britisch-Somaliland) | Britisch-Somaliland ( ab 1884 aus Britisch-Indien verwaltet, ab 1903 unter Foreign Office, 1905–1940 und ab 1941 Colonial Office)

Nach dem Zweiten Weltkrieg

Treuhandgebiet Somalia (1947–1960) | Britisch-Somaliland (1941–1960, Kolonie) | Staat Somaliland (26. Juni 1960 – 1. Juli 1960, Übergangsstaat)

Ab Unabhängigkeit
bis zum Bürgerkrieg

Somalia Republik Somalia (Juli 1960 – Oktober 1969, demokratisches Präsidialsystem)
Somalia Demokratische Republik Somalia (Oktober 1969 – Januar 1991, sozialistischer Ein-Parteienstaat, Diktatur unter Siad Barre)

Bürgerkriegszeit
Zerfall des Zentralstaats
(Ansprüche auf Anerkennung)
als abgespaltener Staat

Republik Somaliland (seit 1991, Präsidialsystem)

als Teilstaat Somalias

Awdalland (1995) bzw. Awdal State of Somalia (2009) | Azania State of Somalia (2011–2013) | Galmudug State of Somalia (seit 2006) | Hiiraan State of Somalia (2010-2015) | Himan und Heeb State of Somalia (2010–2015) | Jubaland (1998-2001) bzw. Jubaland State of Somalia (seit 2013) | Khatumo State of Somalia (seit 2012) | Maakhir State of Somalia (2007–2009) | Ras Aseyr State of Somalia (seit 2011) | Saylac & Lughaya State of Somalia (2011) | Shabelle State of Somalia (seit 2014) | Südwestsomalia (1995–2004) bzw. South West State (seit 2014) | Puntland Puntland (seit 1998)

als Nachfolgeregierung
über Gesamtsomalia

Union islamischer Gerichte (2000–2007, Kritarchie) | Allianz für die Wiederbefreiung Somalias (2006–2009, Zentralkomitee) | Islamisches Emirat Somalia (seit 2008, al-Shabaab-Miliz) und mit internationaler Anerkennung: Somalia Nationale Übergangsregierung (2000–2004) | Somalia Föderale Übergangsregierung (2004–2012)

Neue Verfassung von 2012
am Bundesstaat
nicht beteiligt

Somaliland Somaliland (anerkannter Bundesstaat, betrachtet sich selbst aber nicht als Somalia zugehörig)
Khatumo (nicht als Bundesstaat anerkannt)

Zentralregierung

Somalia Bundesrepublik Somalia (parlamentarische Demokratie)

Normdaten (Geografikum): GND: 4090132-4 (lobid, OGND, AKS) | LCCN: n83057007 | VIAF: 155870596