Henri Farman

Henri Farman, 1919

Henri Farman (* 26. Mai 1874 in Paris; † 17. Juli 1958[1] ebenda) war ein französischer Bahnradsportler, Luftfahrtpionier, Automobilrennfahrer und Unternehmer.

Leben

Ausbildung

Geboren als Sohn wohlhabender englischer Eltern – sein Vater war Korrespondent einer englischen Zeitung in Paris – begann Farman zunächst eine Ausbildung als Künstler, interessierte sich aber recht bald für die neuesten Errungenschaften der Technik sowie für den Sport.

So bestritt er zunächst Radrennen und wurde französischer Steher-Meister. 1892 siegte er im Eintagesrennen Paris–Clermont-Ferrand. 1893 ging er mit Edouard de Perrodil auf eine Radtour von Paris nach Madrid; anschließend veröffentlichte Perrodil das Buch Vélo ! Toro ! Paris-Madrid à bicyclette en 1893, zu dem Farman die Zeichnungen beisteuerte.[2] Mit den zur Wende des 20. Jahrhunderts aufkommenden Automobilrennen begann er eine Karriere als Rennfahrer zunächst in einem Panhard & Levassor. Später wechselte er in einen Renault. Für Panhard & Levassor belegte er beispielsweise 1902 beim über drei Tage andauernden Rennen Paris–Wien hinter Marcel Renault den zweiten Rang und 1903 beim Gordon-Bennett-Cup im irischen Athy Rang drei. 1907 und 1908 trat er beim Großen Preis von Frankreich an, konnte aber keine nennenswerten Ergebnisse erzielen.

Luftfahrtpionier und Unternehmer

Farman (im Vordergrund) mit Charles Voisin, 1907
Henri Farman am 13. Januar 1908 auf dem Flugplatz Issy-les-Moulineaux mit seiner Voisin-Farman I beim Flug zum Grand Prix d’Aviation
Farman am 30. Oktober 1908 beim ersten Überlandflug in Europa von Chalons nach Reims (27 Kilometer in 20 Minuten).

Nach einem Unfall wandte sich Farman nunmehr der Fliegerei zu und erwarb im Jahre 1907 als einer der ersten Kunden ein Voisin-Motorflugzeug des Konstrukteurs Gabriel Voisin. Da die Brüder Voisin den Namen des Eigentümers gut sichtbar auf dem hinteren Teil des Rumpfes anbrachten, wurde diese Maschine als Voisin-Farman I bekannt.

Sofort begann Farman zusammen mit seinem Bruder Maurice, diese Maschine zu modifizieren. Am 26. Oktober 1907 errang er in diesem Flugzeug auf dem Flugplatz Issy-les-Moulineaux den Geschwindigkeitsweltrekord für Landflugzeuge mit 52,7 km/h.

Am 13. Januar 1908 gelang Henri Farman ebenfalls in Issy-les-Moulineaux der erste Motorflug der Welt über eine Distanz von einem Kilometer. Für diese Leistung erhielt er den mit 50.000 Francs dotierten Grand Prix d’Aviation. In der Folgezeit konnte er die fliegend zurückgelegte Distanz bis auf 24,125 km steigern.

Farman war am 21. März 1908 nach einem Bericht von Le Matin bei Flugübungen in Issy-les-Moulineaux der erste Flugpassagier bei Léon Delagrange, als Delagrange mit seiner Maschine in kurzen Sprüngen zum Hangar zurückflog.[3] In Buc bei Versailles betrieb Farman im Jahre 1908 eine Flugschule. Am 30. Oktober 1908 flog Farman in 20 Minuten 27 Kilometer von Chalons nach Reims. Dieser Flug wurde von Scientific American als erster europäischer Überlandflug gemeldet (s. Bild).

Nach einem Streit mit Gabriel Voisin entwickelte und baute er 1909 die Farman III, Erstflug 6. April 1909. Mit dieser mit Querrudern ausgerüsteten Maschine gewann er bei der Flugwoche in Reims 1909 mehrere Preise.

Mitte November 1910 richtete er (vermutlich als Erster) eine Personenverkehrslinie durch Flugzeuge zwischen Buc, wo seine Werkstätten waren, und Etampes, wo sein Flugfeld war, ein. Die Strecke mit einer Entfernung von 40 km war durch Flaggen gekennzeichnet.

Im Jahre 1912 gründete er mit seinen Brüdern Maurice, der bereits vorher Flugzeuge in Buc konstruiert hatte, und Richard die Flugzeugproduktionsfirma Farman Frères in Boulogne-Billancourt. Sie stellten dort zunächst die für sie charakteristischen Doppeldecker mit Druckschraube her, welche hauptsächlich für militärische Zwecke und Ausbildungsflüge genutzt wurden.

Farman-Flugzeuge nahmen auf alliierter Seite am Ersten Weltkrieg als Aufklärungs- und Beobachtungsmaschinen teil. Die bekanntesten Vertreter waren die Farman M.F.7 und die Farman M.F.11. Die M.F.7 war als Aufklärer vorgesehen, während die M.F.11 ein leichtes Kampfflugzeug war und den Spitznamen Shorthorn trug. Beide Modelle waren zweisitzige Doppeldecker.

Ab Februar 1919 wurde von den Lignes Aériennes Farman mit einer Farman F.60 „Goliath“ zwischen Toussus-le-Noble bei Paris und der Royal Air Force Station Kenley bei London die erste internationale Linienverbindung eingerichtet

Der 1918 entstandene Bomber-Prototyp FF.60, eine Weiterentwicklung der von Farman in Boulogne-Billancourt gebauten Bomber, wurde Ende des Krieges durch Änderungen an der Zelle in eine Passagiermaschine umkonstruiert. Das Farman F.60 „Goliath“ genannte Flugzeug hatte im Januar 1919 seinen Erstflug. Mit ihm wurde ab 8. Februar 1919 von der neu gegründeten Lignes Aériennes Farman auf der Strecke von Toussus-le-Noble bei Paris zur Royal Air Force Station Kenley bei London die erste internationale Linienverbindung eingerichtet.[4] Die zweimotorige Farman F.60 brach mehrere Flugrekorde und wurde zum Meilenstein in der damaligen französischen Zivilluftfahrt und in weiten Teilen Europas. Die erste französische Linienfluggesellschaft Lignes Aériennes Farman ging später in die Air France über.

Im Jahr 1919 erhielt Henri Farman aufgrund seiner Verdienste für die französische Luftfahrt den Titel Ritter der Ehrenlegion.

Im Jahre 1937, ein Jahr nach der Verstaatlichung der französischen Luftfahrtindustrie, also auch seines Unternehmens, zog sich Farman aus dem Flugzeuggeschäft zurück. Die Firma arbeitet unter dem Namen S.N.C.A.C. (Société Nationale de Constructions Aéronautiques du Centre) weiter. Bis zur Übernahme trugen die Maschinen die Namen der Farmans vor der Typenbezeichnung.

World Unlimited Water Speed Record

Jules Fis(c)her (USA), 10. November auf der Seine (bei Sartrouville), mit dem Farman Hydroglider

Am 10. November 1924 stellte der US-Amerikaner Jules Fisher auf der Seine (bei Sartrouville) mit einem, von Henri Farman entworfenen und gebauten, Boot einen absoluten Geschwindigkeitsrekord für Wasserfahrzeuge auf. Der Farman Hydroglider war ein Gleitboot (umgangssprachlich Sumpfboot) mit einem 450 PS (331 kW) starken Flugzeugmotor und erreichte eine Geschwindigkeit von 140,644 km/h (87,392 mph).[5][6]

Ehrungen

In Erinnerung an Farmans Pionierleistungen trägt der Farman-Nunatak in der Antarktis seinen Namen.

Siehe auch

  • Ein startbereiter HF-20 der schweizerischen Luftwaffe im Ersten Weltkrieg
    Ein startbereiter HF-20 der schweizerischen Luftwaffe im Ersten Weltkrieg
  • Farman M.F.11 Shorthorn, 1915
    Farman M.F.11 Shorthorn, 1915

Weblinks

Commons: Henri Farman – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Henri Farman in der Datenbank von Radsportseiten.net
  • Early Aviators Henri Farman
  • The Farman Brothers

Einzelnachweise

  1. VVB Flugzeugbau (Hrsg.): Deutsche Flugtechnik Nr. 12/1958, Verlag Technik, S. 239.
  2. Edouard de Perrodil (Text)/Henri Farman (Illustrationen): Vélo! Toro! : Paris-Madrid à bicyclette en 1893. 1893. Neuauflage 2006. ISBN 978-2-9524223-2-1
  3. Les Hommes Volent. In: Le Matin. 22. März 1908, S. 1 (bnf.fr [JPG; 910 kB; abgerufen am 12. September 2020]). 
  4. 8. Februar 1919 - Erster internationaler Linienflug der Welt. In: Stichtag. WDR, 8. Februar 2019, abgerufen am 13. April 2019. 
  5. World Water Speed Record - WWSR ∞ Jet Hydroplane UK ∞ Longbow. In: Jet Hydroplane UK ∞ Longbow. Abgerufen am 21. Mai 2021 (britisches Englisch). 
  6. The World Water Speed Record. Abgerufen am 21. Mai 2021. 
Französische Meister der Steher (Profis/Elite)

1885 Jules Dubois | 1886, 1887 Frédéric de Civry | 1888, 1889 Charles Terront | 1890 Henri Béconnais | 1891 Fernand Charron | 1892 Henri Farman | 1893 Lucien Louvet | 1894 Constant Huret | 1895 Lucien Lesna | 1896 Alphonse Baugé | 1897, 1898, 1900, 1902 Émile Bouhours | 1899 Edouard Taylor | 1901 Paul Bourotte | 1903 Henri Contenet | 1904 Albert Champion | 1905, 1912–1914 Paul Guignard | 1906, 1907, 1911 Louis Darragon | 1908–1910 Georges Parent | 1919, 1920, 1922, 1923, 1925 Georges Sérès sr. | 1921 Léon Didier | 1924 Robert Grassin | 1926 Gustave Ganay/Ernest Pasquier | 1927 Jean Brunier/Léon Didier | 1928 Henri Bréau/Maurice Jubi | 1928 Ernest Catudal | 1928–1932, 1934 Georges Paillard | 1933 Charles Lacquehay | 1935 Auguste Wambst | 1936 André Raynaud | 1937, 1941, 1943 Ernest Terreau | 1938, 1942, 1945, 1952, 1953 Henri Lemoine | 1939 Louis Minardi | 1940 Georges Wambst | 1944, 1946 Louis Chaillot | 1947, 1948 Jean-Jacques Lamboley | 1949 Raoul Lesueur | 1950 Georges Sérès jr. | 1950, 1951, 1955–1957, 1960 Roger Godeau | 1951 Guy Bethery | 1951 Henri Lemoine | 1954 Roger Queugnet | 1958, 1959 Bernard Bouvard | 1961, 1966 Jean Raynal/Hugo Lorenzetti | 1962–1964 Robert Varnajo/Hugo Lorenzetti | 1965 Jean Raynal/Alexis Blanc-Garin | 1967, 1968 Jean Raynal/Norbert Koch | 1969, 1970 Michel Scob/Adolphe Laval | 1973 Alain Van Lancker/Norbert Koch | 1974, 1977, 1978 Alain Dupontreue/Alain Maréchal | 1975 Enzo Mattioda/Adolphe Laval | 1976 Alain Dupontreue/Adolphe Laval | 1979 Dominique Thiébaud | 1980 Pierre Trentin/Alain Maréchal | 1981 Franck Clemente/Norbert Koch | 1982, 1983 Jean-Claude Lecourieux/Bruno Walrave | 1984 Bruno Garnier/Joël Lacroix | 1985 Frédéric Vichot/Michel Buffet | 1986 Jacques Decrion/Pierre Morphyre | 1987 Patrick Gouin/Michel Barrault | 1988 Philippe Tarantini/Alain Maréchal | 1989 Serge Crottier-Combe/Pierre Lachaize | 1990 Pascal Chollet/Michel Barrault | 1991 Michel Dubreuil/Pierre Lachaize | 1992, 1993 Serge Crottier-Combe/Alain Maréchal | 1994, 1996, 1997, 2001 Marc Seynaeve/Michel Barrault | 1999, 2000 Anthony Gillot/Alain Maréchal | 2002, 2004 Stéphane Benetiere/Bernard Filiatre | 2003, 2005 Samuel Dumoulin/Marc Pacheco | 2006, 2007, 2009, 2010 David Derepas/Bernard Filiatre | 2008 Mickaël Buffaz/Marc Pacheco | 2011, 2012, 2013 Benoît Daeninck/André De Raet | 2014, 2016, 2017 Émilien Clère/François Toscano | 2015 Antoine Gaudillat/Alain Gaudillat | 2018, 2019, 2020, 2021 Joseph Berlin-Sémon/Marc Pacheco | 2022 Émilien Clère/Antoine Breton | 2023 Joseph Berlin-Sémon/François Toscano

Nicht in allen Jahren wurden Steher-Meisterschaften durchgeführt; 1928, 1950 und 1951 wurde jeweils drei Meister ermittelt. Wenn bekannt, mit Angabe des Schrittmachers.

Normdaten (Person): GND: 135955696 (lobid, OGND, AKS) | LCCN: n2007086367 | VIAF: 56598466 | Wikipedia-Personensuche
Personendaten
NAME Farman, Henri
KURZBESCHREIBUNG französischer Bahnradsportler, Luftfahrtpionier, Automobilrennfahrer und Unternehmer
GEBURTSDATUM 26. Mai 1874
GEBURTSORT Paris
STERBEDATUM 17. Juli 1958
STERBEORT Paris