Beta-Binomialverteilung

Die Beta-Binomialverteilung ist eine spezielle Wahrscheinlichkeitsverteilung in der Stochastik. Sie zählt zu den diskreten Wahrscheinlichkeitsverteilungen und ist univariat. Sie kann als eine Art Verallgemeinerung der Binomialverteilung angesehen werden, da in dieser die Wahrscheinlichkeit von x {\displaystyle x} Erfolgen auf n {\displaystyle n} bei gegebener Wahrscheinlichkeit eines Einzelerfolges angegeben wird, während in der Beta-Binomialverteilung die Erfolgswahrscheinlichkeit nur ungenau bekannt ist und durch eine Betaverteilung B(a,b) beschrieben wird. Es handelt sich somit um eine Mischverteilung.

Die Beta-Binomialverteilung hat drei Parameter: n, a, b.

Definition

Die Wahrscheinlichkeitsfunktion der Beta-Binomialverteilung für unterschiedliche Parameter
Die Verteilungsfunktion der Beta-Binomialverteilung für unterschiedliche Parameter

Eine Zufallsvariable X {\displaystyle X} hat eine Beta-Binomialverteilung mit den Parametern n N 0 {\displaystyle n\in \mathbb {N} _{0}} , a > 0 {\displaystyle a>0} und b > 0 {\displaystyle b>0} , in Zeichen X B e B ( n , a , b ) {\displaystyle X\sim BeB(n,a,b)} , wenn sie für alle x {\displaystyle x} aus dem Träger { 0 , 1 , , n } {\displaystyle \{0,1,\ldots ,n\}} die Wahrscheinlichkeitsfunktion

P ( X = x ) = ( n x ) B ( a + x , b + n x ) B ( a , b ) {\displaystyle P(X=x)={n \choose x}{\frac {\mathrm {B} (a+x,b+n-x)}{\mathrm {B} (a,b)}}}

hat, wobei B {\displaystyle \mathrm {B} } die Betafunktion ist.

Konstruktion

Ist f ( x | p , n ) {\displaystyle f(x|p,n)} die Wahrscheinlichkeitsfunktion der Binomialverteilung und b ( p | a , b ) {\displaystyle b(p|a,b)} die Dichte der Beta-Verteilung, so berechnet sich die Wahrscheinlichkeitsfunktion der Mischverteilung als

P ( X = x ) = M ( x | n , a , b ) = 0 1 f ( x | p , n ) b ( p | a , b ) d p {\displaystyle P(X=x)=M(x|n,a,b)=\int _{0}^{1}f(x|p,n)b(p|a,b)dp} .

Das Integral entspricht genau der obigen Wahrscheinlichkeitsfunktion.

Alternative Darstellung

Alternativ lässt sich die Wahrscheinlichkeitsfunktion auch darstellen als

P ( X = x ) = C ( n x ) Γ ( a + x ) Γ ( b + n x ) . {\displaystyle P(X=x)=C{n \choose x}\Gamma (a+x)\Gamma (b+n-x).}

Dabei ist die Konstante C eine Normierungskonstante und wird folgendermaßen berechnet:

C = Γ ( a + b ) Γ ( a ) Γ ( b ) Γ ( a + b + n ) {\displaystyle C={\frac {\Gamma (a+b)}{\Gamma (a)\Gamma (b)\Gamma (a+b+n)}}}

Dabei ist Γ {\displaystyle \Gamma } die Gammafunktion.

Eigenschaften

Erwartungswert

Der Erwartungswert hängt von allen drei Parametern ab:

E ( X ) = n a a + b , {\displaystyle E(X)=n{\frac {a}{a+b}},}

Varianz

Die Varianz ist:

V a r ( X ) = n a b ( a + b ) 2 a + b + n a + b + 1 . {\displaystyle Var(X)=n{\frac {ab}{(a+b)^{2}}}{\frac {a+b+n}{a+b+1}}.}

Schiefe

Die Schiefe wird angegeben mit

v ( X ) = ( a + b + 2 n ) b a a + b + 2 1 + a + b n a b ( n + a + b ) {\displaystyle \operatorname {v} (X)=(a+b+2n){\frac {b-a}{a+b+2}}{\sqrt {\frac {1+a+b}{nab(n+a+b)}}}}

Wahrscheinlichkeitserzeugende Funktion

Die wahrscheinlichkeitserzeugende Funktion der Beta-Binomialverteilung ist

m X ( t ) = 2 F 1 ( n , a ; a + b ; 1 t ) {\displaystyle m_{X}\left(t\right)={_{2}F_{1}}\left(-n,a;a+b;1-t\right)\!} .

Hierbei ist 2 F 1 {\displaystyle _{2}F_{1}} die gaußsche hypergeometrische Funktion.

Charakteristische Funktion

Durch Substitution folgt daraus die charakteristische Funktion:

φ X ( t ) = 2 F 1 ( n , a ; a + b ; 1 e i t ) {\displaystyle \varphi _{X}\left(t\right)={_{2}F_{1}}\left(-n,a;a+b;1-e^{it}\right)\!} .

Momenterzeugende Funktion

Damit ist die momenterzeugende Funktion

M X ( t ) = 2 F 1 ( n , a ; a + b ; 1 e t ) {\displaystyle M_{X}\left(t\right)={_{2}F_{1}}\left(-n,a;a+b;1-e^{t}\right)\!} .

Spezialfälle

Falls a = 1 {\displaystyle a=1} und b = 1 {\displaystyle b=1} , dann handelt es sich um eine diskrete Gleichverteilung mit P ( X = x ) = 1 n + 1 {\displaystyle P(X=x)={\tfrac {1}{n+1}}} , da der Träger n + 1 {\displaystyle n+1} Werte beinhaltet.

Anwendungsbereiche

Die Beta-Binomialverteilung wird typischerweise in Fällen angewendet, bei denen man üblicherweise eine Binomialverteilung benutzen würde, aber nicht davon ausgehen kann, dass alle Einzelereignisse dieselbe Wahrscheinlichkeit haben einzutreten, sondern diese Wahrscheinlichkeiten mehr oder minder glockenförmig um einen Wert liegen.

Will man zum Beispiel wissen, wie viele Glühlampen innerhalb der nächsten 12 Monaten ausfallen werden, geht aber davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit eines Ausfalls einer Glühlampe zwischen verschiedenen Lieferkartons abweicht, dann ist eine Beta-Binomialverteilung angebracht.

Empirisch kann man vermuten, mit einer Beta-Binomialverteilung zu tun zu haben, obwohl man eher an ein Binomialmodell denken würde, falls die Daten mehr streuen als von der Binomialverteilung vorgesehen.

Beispiel

Modell in der bayesschen Statistik

Eine Urne enthält eine unbekannte Anzahl von Bällen, von denen man aus anderen Stichproben weiß, dass der Anteil roter Bälle von einer Betaverteilung B ( a , b ) {\displaystyle B(a,b)} beschrieben wird.

Es sollen n-mal Bälle gezogen werden (mit Zurücklegen). Die Wahrscheinlichkeit, dass x-mal ein roter Ball gezogen wird, ist in der Beta-Binomialverteilung B e B ( n , a , b ) {\displaystyle BeB(n,a,b)} .

Zahlenbeispiel

Ausgehend von einer kompletten Unwissenheit der apriori Verteilung, die mit einer B e t a ( 1 , 1 ) {\displaystyle Beta(1,1)} beschrieben wird (Alternativen sind z. B. B e t a ( 1 2 , 1 2 ) {\displaystyle Beta({\tfrac {1}{2}},{\tfrac {1}{2}})} ), wird eine "Vorstudie" mit einer Ziehung (mit Wiederholung) von 15 Bällen organisiert. Einer dieser Bälle ist rot. Somit wird die a posteriori Verteilung mit der B e t a ( 1 + 1 , 1 + 14 ) = B e t a ( 2 , 15 ) {\displaystyle Beta(1+1,1+14)=Beta(2,15)} beschrieben.

Die eigentliche "Studie" sieht eine Ziehung von 40 Bällen vor. Gefragt ist die Wahrscheinlichkeit, dass genau zwei Mal ein roter Ball gezogen wird.

Da in dieser zweiten Ziehung die Wahrscheinlichkeit P ( X = x ) {\displaystyle P(X=x)} jene einer B e B ( 40 , 2 , 15 ) {\displaystyle BeB(40,2,15)} ist, lässt sie sich wie folgt berechnen:

P ( X = 2 , n = 40 , a = 2 , b = 15 ) = C ( 40 2 ) Γ ( 2 + 2 ) Γ ( 15 + 40 2 ) {\displaystyle P(X=2,n=40,a=2,b=15)=C{40 \choose 2}\Gamma (2+2)\Gamma (15+40-2)} ,

wobei

C = Γ ( 2 + 15 ) Γ ( 2 ) Γ ( 15 ) Γ ( 2 + 15 + 40 ) {\displaystyle C={\frac {\Gamma (2+15)}{\Gamma (2)\Gamma (15)\Gamma (2+15+40)}}}

und da ( 40 2 ) = 780 {\displaystyle {40 \choose 2}=780} und außerdem allgemein Γ ( k ) = ( k 1 ) ! {\displaystyle \Gamma (k)=(k-1)!\,} ist, erhält man

Die im Beispiel benutzten Zufallsvariablen
P ( X = 2 | n = 40 , a = 2 , b = 15 ) = 16 ! 1 14 ! 56 ! ( 780 6 52 ! ) = 780 6 16 ! 14 ! 54 ! 56 ! = 780 53 6 54 15 55 16 56 = 260 53 2 77 = 0,127 41975 = 12 , 74 % . {\displaystyle {\begin{aligned}P(X=2|n=40,a=2,b=15)&={\frac {16!}{1\cdot 14!\cdot 56!}}(780\cdot 6\cdot 52!)\\&=780\cdot 6\cdot {\frac {16!}{14!}}\cdot {\frac {54!}{56!}}={\frac {780}{53}}\cdot {\frac {6}{54}}\cdot {\frac {15}{55}}\cdot {\frac {16}{56}}\\&={\frac {260}{53}}\cdot {\frac {2}{77}}=0{,}12741975=12{,}74\,\%.\end{aligned}}}  

Dieses Ergebnis weicht wesentlich von jenem, welches mit einer „einfachen“ Binomialverteilung B ( n = 40 , p = 1 15 ) {\displaystyle B(n=40,p={\tfrac {1}{15}})} berechnet worden wäre, ab. In diesem Fall wäre das Ergebnis P ( X = 2 , n = 40 , p = 1 15 ) = 25 , 19 % {\displaystyle P(X=2,n=40,p={\tfrac {1}{15}})=25{,}19\,\%} .

Aus der Grafik wird ersichtlich, dass die „einfache“ Binomialverteilung B ( n = 40 , p = 1 15 ) {\displaystyle B(n=40,p={\tfrac {1}{15}})} weniger Ergebnisse „zulässt“ als die B e B ( n = 40 , a = 2 , b = 15 ) {\displaystyle BeB(n=40,a=2,b=15)} . Dies geschieht, da man in dem bayesschen Modell nicht vernachlässigt, dass der „wahre“ Anteil an roten Bällen im Grunde unbekannt ist, und somit die Ergebnisse stärker streuen.

Literatur

  • Leonhard Held: Methoden der statistischen Inferenz. Likelihood und Bayes, Unter Mitwirkung von Daniel Sabanés Bové, Spektrum Akademischer Verlag Heidelberg 2008, ISBN 978-3-8274-1939-2.
  • Jim Albert: Bayesian Computation With R, Springer New York, 2009, ISBN 978-0-387-92297-3, doi:10.1007/978-0-387-92298-0.

Siehe auch

  • Poisson-Gamma-Verteilung

Weblinks

  • http://www.vosesoftware.com/ModelRiskHelp/Distributions/Discrete_distributions/Beta-Binomial_distribution.htm
  • Eric W. Weisstein: Beta-Binomial Distribution. In: MathWorld (englisch).
Diskrete univariate Verteilungen

Diskrete univariate Verteilungen für endliche Mengen:
Benford | Bernoulli | beta-binomial | binomial | Dirac | diskret uniform | empirisch | hypergeometrisch | kategorial | negativ hypergeometrisch | Rademacher | verallgemeinert binomial | Zipf | Zipf-Mandelbrot | Zweipunkt

Diskrete univariate Verteilungen für unendliche Mengen:
Boltzmann | Conway-Maxwell-Poisson | discrete-Phase-Type | erweitert negativ binomial | Gauss-Kuzmin | gemischt Poisson | geometrisch | logarithmisch | negativ binomial | parabolisch-fraktal | Poisson | Skellam | verallgemeinert Poisson | Yule-Simon | Zeta

Kontinuierliche univariate Verteilungen

Kontinuierliche univariate Verteilungen mit kompaktem Intervall:
Beta | Cantor | Kumaraswamy | raised Cosine | Dreieck | Trapez | U-quadratisch | stetig uniform | Wigner-Halbkreis

Kontinuierliche univariate Verteilungen mit halboffenem Intervall:
Beta prime | Bose-Einstein | Burr | Chi | Chi-Quadrat | Coxian | Erlang | Exponential | Extremwert | F | Fermi-Dirac | Folded normal | Fréchet | Gamma | Gamma-Gamma | verallgemeinert invers Gauß | halblogistisch | halbnormal | Hartman-Watson | Hotellings T-Quadrat | hyper-exponentiale | hypoexponential | invers Chi-Quadrat | scale-invers Chi-Quadrat | Invers Normal | Invers Gamma | Kolmogorow-Verteilung | Lévy | log-normal | log-logistisch | Maxwell-Boltzmann | Maxwell-Speed | Nakagami | nichtzentriert Chi-Quadrat | Pareto | Phase-Type | Rayleigh | relativistisch Breit-Wigner | Rice | Rosin-Rammler | shifted Gompertz | truncated normal | Type-2-Gumbel | Weibull | Wilks’ Lambda

Kontinuierliche univariate Verteilungen mit unbeschränktem Intervall:
Cauchy | Extremwert | exponential Power | Fishers z | Fisher-Tippett (Gumbel) | generalized hyperbolic | Hyperbolic-secant | Landau | Laplace | alpha-stabil | logistisch | normal (Gauß) | normal-invers Gauß’sch | Skew-normal | Studentsche t | Type-1-Gumbel | Variance-Gamma | Voigt

Multivariate Verteilungen

Diskrete multivariate Verteilungen:
Dirichlet compound multinomial | Ewens | gemischt Multinomial | multinomial | multivariat hypergeometrisch | multivariat Poisson | negativmultinomial | Pólya/Eggenberger | polyhypergeometrisch

Kontinuierliche multivariate Verteilungen:
Dirichlet | GEM | generalized Dirichlet | multivariat normal | multivariat Student | normalskaliert invers Gamma | Normal-Gamma | Poisson-Dirichlet

Multivariate Matrixverteilungen:
Gleichverteilung auf der Stiefel-Mannigfaltigkeit | Invers Wishart | Matrix Beta | Matrix Gamma | Matrix invers Beta | Matrix invers Gamma | Matrix Normal | Matrix Student-t | Matrix-Von-Mises-Fisher-Verteilung | Normal-invers-Wishart | Normal-Wishart | Wishart