Ferrari 637

Der Ferrari 637 im „Museo Ferrari“ in Maranello

Der Ferrari 637 war ein Rennwagen, den die Scuderia Ferrari speziell für die nordamerikanische „CART-Indy-Car-Serie“entwickelte. Von Gustav Brunner entworfen und 1986 gebaut, getestet und der Presse vorgestellt, kam der 637 oder auch Ferrari Formula Cart aber nie zum Renneinsatz.

Hintergrund

Der Hauptgrund für den Bau dieses Fahrzeugs, dessen Bezeichnung sich auf die werksinterne Seriennummer bezieht, dürfte die Unzufriedenheit Enzo Ferraris mit den von der FIA geplanten Änderungen des Motorenreglements für die Formel 1 gewesen sein.[1] Diese Änderungen, mit denen der Commendatore nicht einverstanden war, sahen eine Festlegung auf eine V8-Konfiguration mit einem maximalen Hubraum von 3500 cm³ und ein Turbo-Verbot ab der Saison 1989 vor.[2] Da zuvor für die nähere Zukunft von der FISA, die innerhalb der FIA für die Formel 1 zuständig war, ein Konzept erarbeitet worden war, das eine Reduzierung des Hubraums auf 1200 cm³ vorsah und für das die Scuderia bereits einen neuen Vierzylindermotor entwickelt hatte, drohte Enzo Ferrari mit einem Ausstieg aus der Formel 1.

Ferrari hatte zwar in der Vergangenheit kein Geheimnis aus seinem Wunsch gemacht, das Indianapolis 500 zu gewinnen,[2] aber viele glaubten, seine Drohung, die Formel 1 zugunsten der CART-Serie zu verlassen, sei lediglich ein Verhandlungs- beziehungsweise Druckinstrument gewesen, um die FIA dazu zu bringen, ihre Motorvorschriften zu überdenken.

Diese Thematik (unter ähnlichen Vorzeichen) ist auch 2020 wieder aktuell.[3]

Geschichte

Entwicklung

Ferrari wandte sich wegen des möglichen CART-Projekts an seinen Reifenlieferanten Goodyear, der das Truesports-CART-Team für eine Forschungs- und Entwicklungspartnerschaft empfahl.

Nach der CART-Saison 1985 reisten Truesports und der Indy-Car-Pilot Bobby Rahal nach Italien, um dort einen aktuellen March-85C-Cosworth-Indy-Car-Rennwagen vorzuführen. Das Auto wurde von Rahal auf der Fiorano-Teststrecke präsentiert und danach von Ferrari-Fahrer Michele Alboreto erprobt.[4] Anschließend wurde es komplett demontiert und von Ferrari analysiert. Enzo Ferrari gab für das Projekt, für das er angeblich sogar Adrian Newey engagieren wollte,[2][4] „grünes Licht“. 1986 entwarf und baute Ferrari dann unter der Leitung von Gustav Brunner ein eigenes Auto, dem Alboreto nach ausgiebigen Tests in Fiorano gute Eigenschaften bescheinigte.[5]

„Taktischer Einsatz“

In der zweiten Hälfte des Jahres 1986 trafen sich wichtige Verantwortliche der Formel 1 und der FIA in Maranello, um mit Enzo Ferrari über die Zukunft zu sprechen. Während dieses Treffens erklärte Ferrari seinen Gesprächspartnern, dass sein Rennstall weiterhin mit V12-Motoren antreten wolle. Sollten diese Motoren jedoch verboten werden, könne er den Verbleib seines Unternehmens in der Formel 1 nicht garantieren. Mitten im Gespräch (so wird in mehreren Quellen berichtet) wurde im Innenhof der damals noch deutlich kleineren Fabrik der Tipo 637 gestartet. Die Formel-1-Spezialisten hörten am Geräusch, dass es sich um einen V8-Motor mit Turbo und relativ großem Hubraum handelte. Damit konnte das Fahrzeug nur für die Indianapolis 500 konzipiert sein. Wenige Minuten später soll klar gewesen sein: Ferrari durfte weiterhin Zwölfzylinder in der Formel 1 einsetzen.[6] Noch am selben Tag soll Enzo Ferrari das Projekt 637 gestoppt haben.[2]

Eine andere, etwas wahrscheinlichere Annahme ist, dass dieses Projekt noch kurze Zeit weiterlief und erst der 1987 neu verpflichtete technische Direktor John Barnard entschied, „dass es genug ist“: Wenn die Scuderia noch einmal auf dem Siegerpodium stehen wolle, müssten diese „Indy-Car-Spielereien“ beendet und alle Gelder, Ressourcen und Arbeitskräfte auf das Projekt Formel 1 ausgerichtet werden.[4]

Verbleib

Letztlich wurde der Typ 637 nie als Ferrari gefahren, sondern an die Fiat-Tochter Alfa Romeo weitergegeben, die auf diesem Wege ihre Bekanntheit und damit ihre Marktanteile in den USA steigern wollte. Es kam aber wohl nur der Motor (mit mäßigem Erfolg) zum Einsatz.

Der Ferrari 637 ist gegenwärtig (Stand 2019) in der Galleria Ferrari, dem Museum in Maranello, ausgestellt.[6]

Technik

Überblick

Der Ferrari 637 war mit einem Motor ausgestattet, der im Wesentlichen auf dem Achtzylinder beruhte, den Ferrari für den Gruppe-C-Wagen Lancia LC2 geliefert hatte, dieser Motor wiederum beruhte auf dem Triebwerk des Ferrari 308 (sowohl Ferrari als auch Lancia gehörten zur Fiat-Gruppe). Das Chassis entwarf Gustav Brunner parallel zur Entwicklung des Ferrari-F1/87-Monoposto. In der Aerodynamik (Front- und Heckflügel) wurde der Tipo 637 dem amerikanischen Reglement angepasst. Außerdem wurden die den CART-Vorschriften entsprechenden nach oben montierten Auspuffanlagen verwendet.

Technische Daten

Kenngrößen Ferrari 637 (1986)
Motor Ferrari 034 / Achtzylinder-V-Motor mit 90° Zylinderbankwinkel / 32 Ventile
Kühlung k. A.
Hubraum 2650 cm³
Bohrung × Hub 86 mm × 57 mm
Kompression 11,5 : 1
Kraftstoff Methanol (Agip)
Gemischaufbereitung Digitale elektronische Einspritzung von Weber-Marelli
Zündung elektronische Zündung (Magneti Marelli)
Leistung 690 PS bei 12.000/min
Maximales Drehmoment k. A.
Motoraufladung Garrett-Turbolader
Kraftübertragung k. A.
Chassis Unterteil aus Aluminium und Oberteil aus Carbon- und Kevlar-Verbundwerkstoff mit Aluminiumeinsätzen
Radaufhängung vorn k. A.
Radaufhängung hinten k. A.
Bremsen k. A.
Spurweite vorn/hinten 1708 mm / 1610 mm
Radstand 2812 mm
Reifengröße vorn/hinten k. A.
Reifenfabrikat Goodyear
Länge × Breite × Höhe 4420 mm × 1990 mm × ---
Trockengewicht k. A.
Höchstgeschwindigkeit k. A.

Galerie

  • Ferrari 637
    Ferrari 637
  • Ferrari 637. Hinter dem Cockpit der typische (beidseitig montierte) „Indy-Car-Tankstutzen“ für die Methanol-Betankung
    Ferrari 637. Hinter dem Cockpit der typische (beidseitig montierte) „Indy-Car-Tankstutzen“ für die Methanol-Betankung
  • Zum Vergleich der gleichzeitig für die Formel 1 entwickelte Ferrari F1/87
    Zum Vergleich der gleichzeitig für die Formel 1 entwickelte Ferrari F1/87
  • Ferrari F1/87 Heckansicht
    Ferrari F1/87 Heckansicht

Weblinks

Commons: Ferrari 637 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • The Ferrari that would have won the Indy 500? Tale of the unraced 637 Abgerufen am 14. Oktober 2020 (englisch)
  • AtlasF1.autosport.com Abgerufen am 14. Oktober 2020 (englisch)
  • Ferrari's 80's Halted Indy Project „637“ (englisch)
  • How FERRARI almost raced in INDYCAR! Auf YouTube. Abgerufen am 14. Oktober 2020 (englisch)
  • Ferrari 637 Cart/Indy - 1986 „Walkaround“. Auf YouTube. Abgerufen am 14. Oktober 2020.

Einzelnachweise

  1. AMERICAN SURPRISE: Ferrari History. Abgerufen am 14. Oktober 2020 (englisch). 
  2. a b c d 1986 Ferrari 637 IndyCar. 28. Mai 2018, abgerufen am 14. Oktober 2020 (deutsch). 
  3. Ferrari-CEO: Interessieren uns für IndyCar, aber nicht für Formel E. In: motorsport-total.com. 7. September 2020, abgerufen am 14. Oktober 2020. 
  4. a b c The Ferrari that would have won the Indy 500? Tale of the unraced 637. 5. Juni 2020, abgerufen am 15. Oktober 2020 (britisches Englisch). 
  5. Ferrari's 80's Halted Indy Project "637" - F1technical.net. Abgerufen am 15. Oktober 2020. 
  6. a b admin: Ferrari 637, the threat to F1 to make the Americas. In: Web24 News. 25. April 2020, abgerufen am 15. Oktober 2020 (amerikanisches Englisch). 
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